Wie können Innovationen, die noch gar nicht auf dem Markt sind, eingekauft werden? Der öffentliche Sektor braucht häufig spezialisierte Produkte und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten oder Unternehmen nicht nachgefragt werden. Entsprechend gering ist das Angebot und der Innovationsdruck in diesem speziellen Bereich. Innovationspartnerschaften zwischen öffentlichen Stellen und innovativen Unternehmen können helfen, die benötigten Innovationen für den öffentlichen Sektor bereitzustellen.
Was ist eine Innovationspartnerschaft?
Die Innovationspartnerschaft ist ein 2016 in Deutschland eingeführtes Vergabeverfahren, welches zur Förderung von Forschung und Entwicklung beiträgt. Es zielt darauf ab, die oftmals als „Tal des Todes“ bezeichnete Finanzierungslücke in der Innovationsförderung zu überbrücken: Nach Abschluss der öffentlich geförderten Grundlagenforschung müssen Unternehmen hohe Investitionen tätigen, um aus den bisherigen Forschungsergebnissen ein marktreifes Produkt zu entwickeln. Die damit verbundenen Kosten wägen sie gegen die erwarteten Erlöse ab. Allerdings ist die Schätzung der zukünftigen Nachfrage mit hohen Unsicherheiten verbunden. Daher sehen viele Unternehmen davon ab, weiter in den Innovationsprozess zu investieren.
Hier setzt die Innovationspartnerschaft an und teilt die Entwicklungskosten und -risiken zwischen öffentlichem Auftraggeber und Unternehmen auf, die eine langfristige Zusammenarbeit zur Entwicklung innovativer Güter oder Dienstleistungen eingehen. Hierdurch können die öffentlichen Auftraggeber ihre Bedarfe passgenau mit innovativen Produkten oder Dienstleistungen decken. Die Innovationspartnerschaft vereint demnach die vorkommerzielle Phase (Entwicklung) mit der kommerziellen Phase der Beschaffung in einem innovativen Vergabeinstrument.
Wie läuft eine Innovationspartnerschaft ab?
Eine Innovationspartnerschaft besteht in der Regel aus drei Phasen. Nachdem festgestellt wurde, dass keine passende Lösung auf dem Markt existiert, publiziert der öffentliche Auftraggeber in der ersten Phase eine Bekanntmachung in Form eines Teilnahmewettbewerbs. Auf die Ausschreibung bewerben sich Unternehmen, die zunächst hinsichtlich der Eignungskriterien (bspw. fachliche Kompetenz, Preis, Fähigkeiten) geprüft und anschließend anhand ihrer Angebote bewertet werden.
Die erfolgreichen Unternehmen entwickeln in der nächsten Phase, der Forschungs- und Entwicklungsphase, gemeinsam mit dem öffentlichen Auftraggeber in mehreren Zwischenschritten die gewünschte Lösung. Dabei erhalten die Unternehmen Teilzahlungen für die erbrachten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, wenn festgelegte Zwischenziele erreicht werden bzw. das Produkt final vom öffentlichen Auftraggeber abgenommen wird.
In der letzten Phase, der Leistungsphase, präsentieren die Partner dem Auftraggeber die erarbeitete Lösung und es erfolgt die Markteinführung bzw. die Beschaffung und Implementierung des Produkts im geplanten Anwendungsbereich. Die Innovationspartnerschaft ist mit der Lieferung des Produkts bzw. mit der kompletten Implementierung des Produkts abgeschlossen.
Welche Vorteile hat eine Innovationspartnerschaft und für welche Anwendungsfälle ist sie geeignet?
Ein Vorteil von Innovationspartnerschaften ist, dass der öffentliche Auftraggeber unter Beachtung der Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung genau für ihn passende Lösungen entwickeln und erwerben kann. Bei der Innovationspartnerschaft wird davon ausgegangen, dass das hochspezialisierte Produkt (z.B. innovative Löschfahrzeuge, Züge mit innovativem Antrieb) ohne die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung nicht entstehen würde, weil es keine bzw. nur wenige andere Nachfrager gibt.
Aufgrund der besonderen Beziehung zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen als Partner bei der Entwicklung von Innovationen muss der Umgang mit den geistigen Eigentumsrechten geregelt werden. Einerseits muss die Nutzung des innovativen Produkts für den Auftraggeber gewährleistet sein, andererseits möchten Unternehmen ihr Fachwissen schützen. Die Eigentumsrechte können dabei zwischen allen Partnern geteilt werden oder nur bei einer Partei, entweder dem Auftraggeber oder dem Partner liegen. Die gewünschte Regelung kann bereits in der Ausschreibung festgesetzt oder im Verlauf der Verhandlungen festgelegt werden.
Innovationspartnerschaften haben den weiteren Vorteil, dass sie das Entwicklungsverfahren und das Kaufverfahren von innovativen Lösungen kombinieren. Es müssen also nicht beide separat durchgeführt werden, wie beispielweise bei anderen Beschaffungsmethoden (z.B. der vorkommerziellen Auftragsvergabe), sodass der Aufwand für beide Seiten verringert wird.
Wie unterscheiden sich Innovationspartnerschaften von anderen Verfahren?
Die Innovationspartnerschaft bietet öffentlichen Auftraggebern einen offenen, wenig formalisierten Rahmen, um aktiv an der zu beschaffenden Lösung mitzuwirken, wodurch sowohl der Innovationsgrad der Produkte als auch die Passgenauigkeit für den öffentlichen Auftragsgeber sehr hoch ist. Aber auch beim Verhandlungsverfahren oder dem Wettbewerblichen Dialog sind Auftraggebern Freiräume zur Gestaltung gegeben. So können sie beim Verhandlungsverfahren über den gesamten Auftragsinhalt mündlich oder schriftlich mit den Anbietern kommunizieren und Einfluss nehmen.
Der Wettbewerbliche Dialog erlaubt sogar etwas mehr Raum für kreative und innovative Ideen: bei diesem Verfahren sind Lösungen am Markt vorhanden, sie können aber nicht konkret benannt werden, weil die Anforderungen komplex sind und der Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen bieten kann. Im Dialog spezifizieren die Auftraggeber also gemeinsam mit den potenziellen Auftragnehmern die Anforderungen und erörtern Lösungen für den Bedarf des Auftraggebers. Bei der Innovationspartnerschaft existiert dagegen noch keine passende Lösung am Markt und wird gemeinsam mit den Unternehmen entwickelt. Da dieser Fall eher eine Ausnahme darstellt und das Verfahren erst vor einigen Jahren eingeführt wurde, werden Innovationspartnerschaften bisher nicht so häufig genutzt.
Wie werden Innovationspartnerschaften in Europa genutzt?
Eine Studie der Europäischen Kommission1 von 2022 gibt an, dass die Anzahl der Innovationspartnerschaften seit 2016 gestiegen ist. Laut einer Auswertung von Daten des europäischen Ausschreibungsportals Tenders Electronic Daily (TED) waren es im Jahr 2016 noch unter fünf Innovationspartnerschaften, im Jahr 2021 wurden bereits 20 Innovationspartnerschaften vergeben. Die Coronapandemie schränkte jedoch auch das Wachstum der Innovationspartnerschaften ein: die Anzahl der vergebenen Partnerschaften sank 2021 im Vergleich zum Spitzenjahr 2019 (35).
In den untersuchten fünf Jahren wurden insgesamt 125 Innovationspartnerschaften aus 17 europäischen Ländern mit einem Gesamtwert von acht Milliarden Euro geschlossen. Die Sektoren, in denen Innovationspartnerschaften in dem betrachteten Zeitraum am häufigsten vergeben wurden, sind Mobilität (16%), Umwelt (16%), Bau (11%) sowie Informations- und Kommunikationstechnik (11%). Dabei gingen öffentliche Auftraggeber in Finnland und Frankreich mit jeweils 18 die meisten Innovationspartnerschaften ein. Deutschland zählt mit 16 Innovationspartnerschaften ebenfalls zu den Vorreitern in Europa.
Kleine und mittelständische Unternehmen waren bei über 60 Prozent der Verträge beteiligt. Innerhalb der thematischen Kategorien (z. B. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz) war die Teilnahme von KMU relativ gleichmäßig verteilt. Insgesamt wurden die meisten Partnerschaften den Kategorien Nachhaltigkeit (33 von 125) und Digitalisierung (29 von 125) zugeordnet, wobei über 30 Prozent der Gesamtauftragswerte für Innovationspartnerschaften mit grünen oder sozialen Schwerpunkten ausgegeben wurden.
1Europäische Kommission (2022): Study on the Innovation Partnership procedure
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→ KOINNO-Toolbox: Die Innovationspartnerschaft