Beschaffung auf Online-Marktplätzen

In den letzten Jahren hat sich die Beschaffung von Waren zunehmend auf digitale Plattformen verlagert. Amazon, Alibaba und weitere bieten eine breite Palette an Produkten, die schnell verfügbar sind und oft zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden. Während diese Plattformen im privaten Bereich kaum wegzudenken sind, spielen sie in der öffentlichen Beschaffung bislang kaum eine Rolle. Ein Blick auf die vergaberechtlichen Aspekte.

Digitale Plattformen können das Verbindungselement zwischen Beschaffer und Unternehmen bilden. Vergabeplattformen ermöglichen die Kommunikation zwischen Beschaffer und Unternehmen von der Angebotsabgabe bis zur Zuschlagserteilung. Als Online-Marktplätze können Plattformen verstanden werden, bei denen verschiedene Unternehmen ihre Leistungen für eine Vielzahl von Nachfragern anbieten (z.B. Amazon Business, ebay, Mercateo und Alibaba). Der Nachfrager kann frei zwischen den Angeboten wählen und häufig durch wenige Klicks einen Bestellvorgang auslösen.

Auch das Kaufhaus des Bundes kann als ein Online-Marktplatz verstanden werden. Das Kaufhaus ist eine elektronische Einkaufsplattform für Behörden und Einrichtungen des Bundes. Es bündelt die Bedarfe der öffentlichen Verwaltung auf Grundlage von Bedarfserhebungen und stellt Rahmenvereinbarungen über Standardprodukte und -dienstleistungen zur Verfügung. Allerdings müssen Besteller ihren Bedarf vorab gemeldet haben, um aus diesen Rahmenvereinbarungen abrufen zu dürfen. Bei Online-Marktplätzen existiert diese Einschränkung nicht.

 


Exkurs: Rahmenbedingungen

In Rahmenvereinbarungen werden die Bedingungen für zukünftige öffentliche Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festgelegt. Das gilt vor allem für den Preis und ggf. die in Aussicht genommene Menge an Einzelaufträgen.
Rahmenvereinbarungen eignen sich besonders für häufig wiederkehrende Beschaffungen, da der Auftraggeber das in Aussicht genommene Auftragsvolumen nicht vorab festlegen, sondern nur sorgfältig schätzen muss. Rahmenvereinbarungen können zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggeber(n) und einem oder mehreren Unternehmen geschlossen werden.


 

Unterschiedliche Rollenmodelle

Die Universität der Bundeswehr München hat in ihrer Studie „Elektronischer öffentlicher Beschaffungsmarktplatz“ analysiert, dass auf dem Markt unterschiedliche Rollenmodelle für die Anbieter von Marktplätzen existieren. Es gibt Plattformen, bei denen der Anbieter ein reiner Vermittler ist und daher im Falle der Bestellung nicht Vertragspartner wird. Umgekehrt gibt es Plattformen, bei denen der Marktplatzanbieter als Vertragspartner auftritt und der Marktplatz daher faktisch einem Online-Shop gleicht. Schließlich gibt es hybride Lösungen, bei denen die Waren sowohl vom Marktplatzanbieter selbst als auch von Drittanbietern angeboten werden.

 


Der Ergebnisbericht der Studie „Elektronischer öffentlicher Beschaffungsmarktplatz“ von der Universität der Bundeswehr München ist hier kostenfrei abrufbar.


 

Vor- und Nachteile von Marktplätzen

Online-Marktplätze geben Beschafferinnen und Beschaffern die Möglichkeit, Preisangebote für eine spezifische Warenkategorie auf einen Blick zu übersehen und zu vergleichen. Produktbeschreibungen und Bewertungen können zusätzliche Informationen zur Qualität der Produkte liefern. Neben einer benutzerfreundlichen Oberfläche bieten diese Plattformen in der Regel schnelle Lieferzeiten und einfache Bezahlmethoden. Der Bestellvorgang wird elektronisch abgewickelt und kann daher in bestehende digitale Einkaufsprozesse bruchfrei integriert werden. Online-Marktplätze sind daher geeignet, den Einkaufsprozess signifikant zu verkürzen.

Aus der Perspektive von Beschaffern nachteilig: Anbieter von Online-Marktplätze können darüber entscheiden, welche Unternehmen sie auf ihrem Marktplatz zulassen. Sofern Auftraggeber über einen Online-Marktplatz beschaffen wollen, bleiben andere, möglicherweise bessere Angebote von Unternehmen, die nicht auf dem Marktplatz tätig sind, unberücksichtigt.

 

Vergabeverfahren über Online-Marktplätze?

Die vergaberechtlichen Bestimmungen sehen eine Beschaffung über einen Online-Marktplatz nicht vor. Eine solche Beschaffung fügt sich nicht in die Struktur eines geregelten Vergabeverfahrens ein.

Die Verfahrensarten im Vergaberecht erfordern eine Aufforderung zur Angebotsabgabe zu bestimmten Bedingungen des Auftraggebers. Dies kann durch eine Bekanntmachung (zum Beispiel offenes Verfahren oder öffentliche Ausschreibung) oder durch eine Aufforderung von bestimmten Unternehmen zur Angebotsabgabe (zum Beispiel Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder Verhandlungsvergabe) erfolgen.

Bei Online-Marktplätzen geht die Initiative von den Unternehmen aus, die ihre Produkte zu ihren Bedingungen auf dem Marktplatz einstellen. Die Leistungen werden als sogenannte invitatio ad offerendum offeriert. Es handelt sich also nicht um Angebote im Rechtssinne, sondern um die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Die Einleitung des Bestellvorgangs durch den Beschaffer ist daher das Angebot, das durch das ausgewählte Unternehmen angenommen werden muss.

 

Beschaffung ohne Vergabeverfahren: Direktauftrag

Eine Anwendungsmöglichkeit für die Beschaffung über Online-Marktplätze besteht bei dem sogenannten Direktauftrag (§ 14 Unterschwellenvergabeordnung UVgO).

Der Direktauftrag gestattet die Beauftragung eines Unternehmens, ohne ein Vergabeverfahren durchzuführen. Diese Freistellung von vergaberechtlichen Bindungen erlaubt dem Auftraggeber, eine konkrete Leistung unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beschaffen. Der Auftraggeber kann daher ähnlich einem privaten Kunden auf dem Markt unter Einhaltung der haushaltsrechtlichen Restriktionen agieren. Das Verfahren des Direktauftrags ist nicht reglementiert. Der Auftraggeber kann daher mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe auffordern, er kann aber auch auf der Grundlage eines Preisvergleichs nur ein Unternehmen mit den zu vergebenden Leistungen beauftragen. Dies ermöglicht insbesondere, die Leistung über einen Online-Marktplatz zu beziehen.

 


Exkurs: UVgO
Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) enthält nähere Regelungen zu nationalen Vergabeverfahren der öffentlichen Hand zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, deren geschätzter Auftragswert den einschlägigen EU-Schwellenwert nicht erreicht.


 

Zu beachten ist, dass der Auftraggeber bei einem Direktauftrag zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln soll. Abgesehen von Ausnahmefällen ist es dem Auftraggeber daher nicht gestattet, dasselbe Unternehmen mit der konkreten Beschaffung erneut zu beauftragen. Das ist unproblematisch, wenn der Online-Marktplatz als reiner Vermittler agiert, da der Auftraggeber abwechselnd mit jeder Beschaffung einen anderen Anbieter auf dem Online-Marktplatz beauftragen kann. Wenn der Marktplatzanbieter selbst Vertragspartner wird, muss bei der nächsten relevanten Beschaffung ein anderer Vertragspartner und dann möglicherweise auch ein anderer Online-Marktplatz ausgewählt werden.

Zulässig ist der Direktkauf zudem nur bis zu einem gewissen Auftragswert. Nach § 14 S. 1 UVgO liegt die Wertgrenze für die Beschaffung von Liefer- oder Dienstleistungen bei 1.000 Euro netto. Dem Vernehmen nach soll dieser Wert mit der nächsten Reform erhöht werden. In einigen Bundesländern gelten bereits deutlich höhere Wertgrenzen. So ist im Freistaat Bayern eine Wertgrenze von 5.000 Euro netto, vorübergehend sogar bis zu 25.000 Euro netto für die Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen vorgesehen.

 


Weitere Informationen zur öffentlichen Beschaffung über Online-Marktplätze finden Sie im Leitfaden „Chancen und Nutzung von elektronischen Marktplätzen im öffentlichen Einkauf“ vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. Der Leitfaden ist hier kostenfrei abrufbar.


 

Relevante Beschaffungen

Die Beschaffung über einen Online-Marktplatz kommt in erster Linie für den Bezug von Waren in Betracht. Dies betrifft vor allem Standardgüter wie Büroartikel. Eingeschränkt ist der Anwendungsbereich des Direktauftrags auf solche Güter jedoch nicht. So kommen auch Dienst- und Bauleistungen in Betracht. In der Praxis der elektronischen Marktplätze spielen diese Leistungen jedoch keine oder allenfalls nur untergeordnete Rolle.

 

Ausblick

Dem Vernehmen nach will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit seinem Reformvorhaben „Transformation des Vergaberechts“ auch die Beschaffung auf Online-Marktplätzen erleichtern. Genauere Informationen liegen hierzu bislang nicht vor. Eine regulative Stärkung der Beschaffung über Online-Marktplätze könnte schon darin liegen, sie überhaupt als zulässige Beschaffungsvariante in die vergaberechtlichen Rechtswerke aufzunehmen. Zudem könnten die Wertgrenzen für Direktaufträge erhöht werden. In Österreich beispielsweise ist eine Wertgrenze von derzeit 100.000 Euro vorgesehen. Allerdings ginge eine Erhöhung der Werte mit einer Schwächung des Wettbewerbsgebots einher und sollte daher mit Augenmaß erfolgen.

Mit einer Erhöhung der Wertgrenzen für Direktaufträge dürften sich die kommerziellen Anbieter auch mehr als bislang der öffentlichen Beschaffung zuwenden. Gewisse Synergiepotenziale könnten darin bestehen, dass Online-Marktplätze zukünftig die Funktionalitäten von Vergabeplattformen übernehmen und beispielsweise selbst die Aufforderung zur Angebotsabgabe im Rahmen einer Verhandlungsvergabe anbieten.

Der Beitrag stammt von Frederic Delcuvé, Fachanwalt für Vergaberecht bei Becker Büttner Held PartGmbB und ist im Rahmen des KOINNOmagazins 01/2024 erschienen.