Grundlagen agiler Methoden und Arbeitsweisen, Quelle: Unsplash

Klassische Organisationen, die mit langsamen und starren Prozessen arbeiten, haben zunehmend Probleme, mit den schnellen (technischen) Entwicklungen mitzuhalten. Um Performance-Vorteile zu erzielen, muss die Organisation anpassungsfähig sein. Das Unternehmen bzw. Institution muss in der Lage sein, sich zeitnah, effektiv und nachhaltig zu verändern. Agile Arbeitsweisen haben ihren Ursprung in der Softwareentwicklung, finden aber branchenübergreifend immer mehr Zuspruch.

Eine grundlegende Charakteristik der klassischen bzw. agilen Arbeitsweise zeigt folgende Tabelle:

 

Klassisch

Agil

Anforderungen zu Beginn bekannt

Anforderungen zu Beginn unscharf

Änderungen während des

Projekts schwierig

Änderungen während des Projekts vorgesehen

Hohe Kosten für spätere

Anforderungsänderungen

Kosten für spätere

Anforderungsänderungen in Grenzen

Lastenheft aus

technischer Sicht

Anforderungsbeschreibung aus Stakeholder-/Adressatensicht

Sequenzieller Entwicklungsprozess

Iterativer Entwicklungsprozess

Starrer Projektmanagementprozess

Fortlaufende Prozessverbesserungen

Adressat/Stakeholder sieht nur Endergebnis

Adressat/Stakeholder bewertet Zwischenergebnisse

Bei Terminschwierigkeiten werden Fristen verkürzt

Bei Terminschwierigkeiten wird versucht das beste Ergebnis mit weniger Aufwand zu erzielen.

Große Teams möglich

Teamgröße beschränkt

Klare Hierarchie

Selbstorganisierte Teams

Viele Spezialisten im Team

Gemeinsame Verantwortung

Team sitzt verteilt und ist in

mehreren Projekten tätig

Team sitzt zusammen und hat Fokus auf ein Projekt

Aufgaben von oben zuteilen

Aufgaben selbstständig übernehmen

Viel Kommunikation über Dokumente

und lange Meetings

Informelle Kommunikation und Standup-Meetings, Zeiten oft genau in agilen Frameworks knapp definiert

Aufwandsschätzung durch Projektleiter oder Experten

Flexible Aufwandsschätzung gemeinsam im Team (Stichwort Scrum Poker)

 

 

Eine agile Organisation macht jedoch nur Sinn, wenn im gesamten Unternehmen ein agiles Mindset vorherrscht und gelebt wird. Aus diesem Grund soll auch vermieden werden, agile Arbeitsformen und Frameworks einfach überzustülpen. Um eine bestmögliche Performance in der agilen Organisation zu erreichen, sollten folgende Voraussetzung gegeben sein:

  • Eigenverantwortliches Arbeiten: Es muss den Mitarbeitern ermöglicht werden, eigenständig handeln und entscheiden zu können. Nur so lassen sich die langen bürokratischen Wege verkürzen und vereinfachen.
  • Umfangreiche Kommunikation: Es sollte zu jedem Zeitpunkt für jeden Mitarbeiter klar sein, an welchem Punkt das Projekt steht. Ein hohes Kommunikationsniveau sorgt für umfassende Transparenz über alle Schritte.
  • Klares Leitbild: Das Leitbild dient als Konstante. Wenn man auf agiles Arbeiten umstellt, gehen damit viele Veränderungen einher. Das Leitbild fasst die Werte und Ziele des Unternehmens zusammen, an denen sich orientiert werden kann.
  • Kunden-/Stakeholder-Orientierung: Der direkte Austausch mit den internen Kunden/Stakeholdern ist wichtig. Um das eigene Optimum auszuschöpfen, dürfen deren Bedürfnisse nicht vernachlässigt werden. Das kann durch einen direkten und dauerhaften Austausch gewährleistet werden.
  • Offenes Feedback: Agiles Arbeiten geht mit einer Fehlerkultur einher. Daher ist es wichtig Probleme und Fehler frühzeitig und nicht erst am Ende des Projektes (Stichwort: „fail fast“) zu erkennen und zu lösen. Dabei helfen offene Feedbacks und regelmäßig stattfindende Feedbackrunden.
  • Kürzere Zeiträume: Kürzere Bearbeitungszyklen ermöglichen eine größere Dynamik und eine schnellere Anpassung. Ein großes Projekt sollte in mehrere kleine Teilprojekte gegliedert werden. Ist ein Teilprojekt abgeschlossen erfolgt eine Review und eine Feedbackrunde. Je nach Ergebnis wird das nächste Teilprojekt angegangen oder nachgebessert.

 

Eine agile Organisation zeichnet sich durch vielerlei Merkmale aus. Hier eine Übersicht:

  • Dauerhafte Wandlungsfähigkeit und –bereitschaft; Erkenntnisse müssen adaptiert werden wollen. Keine klassische Umorganisation von einem Zustand in einen fixen anderen.
  • Um dies zu ermöglichen, müssen die Prozesse und Strukturen im Unternehmen entsprechend einfach und ohne großen Aufwand verändert werden können.
  • Es müssen eine Innovationskultur, ein Wille zu (sinnvollen) Veränderungen, die Bereitschaft für Anpassungen und die Flexibilität diese umsetzen zu wollen, vorhanden sein.
  • In agilen Teams gibt es keine Hierarchien. Im agilen Unternehmen herrschen heterarchische Strukturen.
  • Abschottende Elemente wie Silos, eingefahrene Denkweisen und starre, nicht änderbare Strukturen, müssen abgebaut und möglichst vermieden werden.

 

Die aufgeführten Merkmale lassen sich aus den Säulen und Werten der agilen Frameworks, wie z.B. Scrum ableiten:

 

Drei Säulen

Fünf Werte

Transparency

Focus – auf das Ziel

Inspection

Openness – offen für Veränderungen

Adaption

Commitment – zur Arbeitsweise und zum Ziel

 

Courage – zur Offenheit, zum Ansprechen von Dingen bei der Diskussion (inspection) und zum Feedback

 

Respect – gegenseitig und voreinander. Gerade in heterarchischen Systemen unabdingbar.

 

In agilen Organisationen steht daher

  • das Zusammenwirken der Beteiligten über den Prozessen und Tools,
  • die Adaption von Veränderungen über starrem Verharren und dem Festhalten an Plänen,
  • die wertschaffende Leistung über einer peniblen Dokumentation und
  • die Zusammenarbeit mit dem Kunden über der Vertragsverhandlung.

 

Da auch eine agile Arbeitsweise nicht nur Vorteile bringt, zeigt die folgende Übersicht Vor- und Nachteile diese Ansatzes auf:

 

Vorteile:

  • Geringe Planungszeit: Im Gegensatz zu klassischen Projekten, die eine lange Planungszeit beanspruchen, kann mit Hilfe agiler Methoden schneller gestartet werden. Dies wird durch die Zerlegung des Projektes in Teilprojekte ermöglicht.
  • Schnelle Ergebnisse: Innerhalb kürzester Zeit können erste (Teil-)Ergebnisse entwickelt werden. Auf diese folgt direktes Feedback. Durch die kurzen Bearbeitungsrunden wächst das Ergebnis (Inkrement) stetig Runde für Runde an.
  • Kurzfristige Anpassungen: Die Ergebnisse werden in regelmäßigen Feedbackrunden diskutiert, dieses Feedback fließt sofort in die Weiterentwicklung ein.
  • Starker Teamgeist: In agilen Teams ist jeder gleich. Die Teammitglieder sehen sich daher als gleichwertig und das selbstbestimmte Arbeiten kann zu einer besseren Arbeitsmoral führen.
  • Stetige Verbesserung: Je häufiger agile Methoden genutzt werden, desto größer wird das Verständnis und desto besser werden sie in der Umsetzung. Es kann auch gelernt werden, agile Methoden nicht zu nutzen, wenn sie für ein Projekt, eine Aufgabe oder eine bestimmte Struktur nicht geeignet sind.

 

Nachteile:

  • Geringe Planbarkeit: Zum Projektstart ist nicht klar, wie viele Arbeitsrunden (Iterationen) nötig sein werden. Kosten und Zeit sind nicht exakt bestimmbar.
  • Kommunikations- und Abstimmungsaufwand: Agile Arbeitsmethoden verlangen viel Kommunikation zwischen den beteiligten Personen, z.B. beim Scrum den Daily Scrum, den Review und die Retrospektive. Nicht nur die (Teil-)Ergebnisse werden diskutiert, sondern auch die Arbeitsweise mit der diese realisiert wurden.
  • Eventuelle Spannungen: Es kann zu Problemen in der Abstimmung zwischen agilen und nicht agilen Teams kommen. Das bereits zu Beginn des Beitrages geforderte Mindset als Erfolgsgrundlage für Agilität kann dazu beitragen, diese Spannungen abzubauen oder zu vermeiden.
  • Anfängliche Unsicherheit: Nicht jedes Teammitglied findet sich ohne klare Hierarchien zurecht. Drastische Veränderungen in der Organisation können zu Verunsicherungen führen.

 

Die Entscheidung für eine agile Organisation muss auf der Grundlage einer sorgfältigen Abwägung der Vor- und Nachteile agiler Arbeitsweise getroffen werden. Ist diese erfolgt, muss im nächsten Schritt unter Beachtung der geschilderten Grundlagen zum agilen Arbeiten entschieden werden, mit welchen agilen Methoden und Techniken man fortfahren möchte. Dabei geben die Methoden die agile Grundstruktur für das Projektmanagement vor. Das Ziel einer solchen Methode ist es, das Projekt zu managen, in Anlehnung an die Techniken, Prinzipien und Werte. Mit agilen Techniken wird die Methode durchgeführt und das Projekt umgesetzt.

 

Bei der Auswahl der Methode gilt: Nicht jedes Framework eignet sich für alle Anwendungsfälle. Folgende agilen Methoden gibt es unter anderem:

  • Design Thinking: für Produkt- oder Serviceentwicklung
  • Kanban-Methode: vielseitig einsetzbar; kommt häufig bei Projekten zum Einsatz; hier gibt es mehrere Einheiten, wie „in Arbeit“ oder „erledigt“, in die das Projekt eingeteilt wird.
  • Scrum: es wird für jeden Vorgang ein Team gebildet, was in Zeitintervallen arbeitet; feste Abstimmungstermine sorgen für einen Arbeitsrhythmus; nach jedem Vorgang wird der Auftraggeber zur „Kontrolle“ dazu geholt.

 

Zusammenfassung:

Das Projektziel bestimmt die Methode. Es muss geprüft werden, welche Methode die geeignetste ist. Je unklarer das Ziel und der Weg dorthin ist, desto eher lassen sich agile Methoden anwenden. Agile Arbeitsweisen sollen nicht übergestülpt werden. Es kann mit kleinen Projekten zu Testzwecken begonnen werden. Die dann genutzten Methoden sollten dabei selbst immer wieder hinterfragt und flexibel angepasst werden. Zwar entspricht dann die Methode nicht mehr der reinen Lehre, aber dem Ziel agiler Methoden, nämlich das bestmögliche Ergebnis zu erreichen, wird entsprochen.

 

Quellen und was Sie auch noch interessieren könnte:

BME-Leitfaden „Grundlagen des Einkaufs, 2. Auflage“

S, Olbert, Agilität als Wettbewerbsvorteil: Der Agile Performance Index, S. 100, in: Olbert, S., H. G. Prodoehl (Hrsg.), Überlebenselixier Agilität, Wiesbaden, 2019.

The Scrum Guide

Gründerplattform: Agile Arbeitsmethoden

Haufe: Agile Methoden – Definition und Überblick

Karrierebibel: Agiles Arbeiten

The 5 Scrum Values