Im Rahmen der aktuellen Ausgabe 01/2018 der Fachzeitschrift „Thema Umwelt" durfte das KOINNO in einem Fachartikel die immense Hebelwirkung der öffentlichen Beschaffung auf die Innovationstätigkeit der Wirtschaft verdeutlichen. Erfahren Sie, welche Herausforderungen Entscheider dabei zu bewältigen haben, welche Chancen diese in sich bergen und wie KOINNO öffentliche Beschaffungsstellen unterstützt.
Die Förderung von Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen ist ein wichtiges Element der Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ziele wie Ressourcenschonung und Energieeffizienz sind untrennbar mit Innovationen verbunden. Diese Ziele lassen sich nicht nur durch eine angebotsorientierte Politik, wie die Förderung von Forschungs- und Innovationsvorhaben, erreichen, sondern auch nachfrageseitig durch den öffentlichen Einkauf von innovativen Produkten und Dienstleistungen.
Das jährliche Volumen der öffentlichen Beschaffung in Deutschland beträgt rund 350 Milliarden Euro. Wenn es gelänge, nur ein Prozent davon für innovative Produkte zu verwenden, ergäbe dies einen Innovationsimpuls von mehr als 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: 2015 kamen insgesamt 2,3 Milliarden Euro an Fördergeldern für Forschung und Innovation in Unternehmen zum Einsatz. Das verdeutlicht das enorme Innovations- und Technologiepotenzial der öffentlichen Beschaffung.
Mehrwert für Verwaltung und Unternehmen
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert Innovation als die Einführung eines neuen oder signifikant verbesserten Produkts oder einer Dienstleistung, eines neuen Prozesses oder einer neuen Marketing- oder Organisationsmethode in die Geschäftspraxis, die Arbeitsabläufe oder die externen Beziehungen. Innovation ist somit auf verschiedenen Ebenen möglich.
Die Nachfrage des Staates nach Innovationen erfährt vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und in Zeiten knapper Budgets eine herausragende Bedeutung. Innovative Beschaffungen ergeben meist einen signifikanten Mehrwert für die öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen.
Innovation kann in folgenden Formen in den Beschaffungsprozess einfliessen:
- Beschaffung von Innovationen: Nachfrage nach innovativen Produkten und Dienstleistungen als Ergebnis des Beschaffungsvorgangs,
- innovatives Beschaffungswesen: innovative und effiziente Gestaltung der Beschaffungsprozesse und der Organisation der Beschaffung selbst.
Die öffentliche Beschaffung hat primär das Ziel, Produkte und Dienstleistungen wirtschaftlich zu beschaffen. Dabei kann die Beschaffung innovativer Varianten bei Betrachtung der Lebenszykluskosten langfristig Kosten einsparen beziehungsweise Leistungen erhöhen und dadurch wirtschaftlicher sein. Ziel ist, das beste Verhältnis von Kosten und Nutzen sicherzustellen.
Hierbei können zum Beispiel niedrigere Kosten für Energie- und Wasserverbrauch oder bessere Möglichkeiten zur Entsorgung der Produkte eine Rolle spielen.
Neben der eigentlichen wirtschaftlichen Bedarfsdeckung bringen innovative Produkte und Dienstleistungen häufig auch konkrete Verbesserungen bei den Verwaltungsabläufen, der Dienstleistungsqualität oder der Nutzerfreundlichkeit mit sich.
Die staatliche Nachfrage regt wiederum die Innovationstätigkeit der Wirtschaft an und unterstützt die schnelle Einführung neuer Technologien auf den Märkten. Davon profitieren vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU), denn sie benötigen Referenzprojekte für ihre innovativen Technologien, die potenzielle (private) Kunden in ihrer Kaufentscheidung positiv beeinflussen können.
Ein Gesinnungswandel ist nötig
Trotz der Vorteile einer innovationsorientierten Beschaffung kommen neue Technologien und innovative Produkte im öffentlichen Bereich nach wie vor zu selten zum Einsatz. Eine Umfrage im Auftrag des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (Koinno) zeigt deutlich, dass Innovation für Beschaffende in Deutschland keine Priorität hat (siehe Abbildung).
Vielmehr liegt die Einhaltung des aktuellen Vergaberechts eindeutig auf Platz 1 der Ziele einer Beschaffung. Die Bereitstellung von innovativen Lösungen und Produkten findet sich derzeit lediglich auf Platz 13.
Auch der Bedeutung ihrer möglichen Innovationsförderung sind sich die öffentlichen Beschaffer meist nicht bewusst. Wichtig ist deshalb, dass die Akteure ihre generelle Einstellung zum Thema Innovationen ändern, um wirtschaftlicher und nutzerfreundlicher zu beschaffen.
Ausgezeichnete Leuchtturmprojekte
Es gibt aber auch Beschaffungsstellen, die schon heute auf innovative Beschaffungsprozesse respektive auf innovative Produkte und Dienstleistungen setzen. Mit dem Preis «Innovation schafft Vorsprung» zeichnet der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) solche beispielhaften Leistungen öffentlicher Auftraggeber aus. 2018 ging der Preis an die Berliner Stadtreinigung (BSR).
Als kommunales Entsorgungsunternehmen ist die BSR für die Aufgaben der Abfallwirtschaft in Berlin zuständig. Im Berliner Stadtgebiet kommen rund eine halbe Million fahrbare Behälter aus thermoplastischem Kunststoff für die Sammlung des Rest- und Bioabfalls zum Einsatz. Um die Leistungserbringung zu garantieren, ist die dauerhafte, sichere Verfügbarkeit der Behälter entscheidend.
Ziel der BSR war es, gemeinsam mit potenziellen Auftragnehmern Lösungen zu erarbeiten und bei gleichzeitiger Qualitäts- und Prozessoptimierung die Kosten deutlich zu senken. Nach Abwägung mehrerer Ausschreibungsverfahren hat sich die BSR für die Durchführung eines wettbewerblichen Dialogs entschieden. Grund dafür war, dass die Komplexität des Projekts durch die phasenweise Abwicklung in der Dialogphase reduziert und der komplette Prozess von Anfang an neu gestaltet werden konnte.
Die Ausschreibung wurde erfolgreich beendet, zwei Bieter erhielten eine Rahmenvereinbarung.
Durch die technische Modifikation der Behälter, die spezielle Ausschreibungsmethode und angepasste Vertragsbedingungen liessen sich im Vergleich zu den Altverträgen Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielen. Ausserdem optimierte die BSR im Prozess die Bestellabläufe und die Logistik.
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