Im Rahmen der KOINNO-Standardisierung gehen wir der Frage nach, ob standardisierte Prozesse zu mehr Innovationen in der öffentlichen Beschaffung führen können. Wir beginnen ganz am Anfang: beim Bedarfsmanagement. Wie könnte er also aussehen, der optimale Prozess?
In unserem ersten Beitrag zur Standardisierung dieses Prozessschrittes haben wir bereits die verschiedenen Arten des Bedarfsmanagements kennengelernt. Grundsätzlich kann zwischen kurzfristigem und langfristigem Bedarfsmanagement unterschieden werden. Wird zusätzlich noch der zeitliche Horizont einbezogen, gibt es sogar vier Typen des Bedarfsmanagements. Außerdem haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wer in diesem Prozessschritt involviert werden sollte. Wie so oft lautet hier die Antwort „es kommt darauf an…“ – nämlich auf den Typ des Bedarfsmanagements.
Damit sind zunächst die Grundlagen geschaffen. Doch wie sieht er nun aus, der optimale Prozess zum Bedarfsmanagement? Darauf möchten wir in diesem Beitrag eine Antwort liefern.
Das übergreifende Ziel vom Bedarfsmanagement ist die Abschätzung kurz- und langfristiger Bedarfe. Somit steht auch bereits das Hauptergebnis des Prozesses fest: die Bedarfsspezifikation von kurzfristig anfallenden Bedarfen sowie die Erstellung von Bedarfsplan und -spezifikation für die kommenden Geschäftsjahre. Der Anteil langfristiger Bedarfe sollte so hoch wie möglich sein, denn dann hat die Beschaffungs- bzw. Vergabestelle gute Chancen, Innovationspotenziale auch tatsächlich auszuschöpfen. So bleibt beispielsweise mehr Zeit für umfassende Markterkundungen, Einzelbedarfe können besser gebündelt und ggf. über Rahmenverträge abgewickelt werden. So kann die Vorbereitung von Ausschreibungen besser erfolgen.
Ausgangspunkt im Bedarfsmanagement ist immer die Bedarfsentstehung in der Fachabteilung bzw. bei den Nutzenden. Die möglichst frühzeitige Bedarfsmeldung ist der erste Input für den Prozess und in der Folge fallen dann diverse Kernaufgaben an:
- Bedarfserfassung: Erfassung der langfristig zu planenden Bedarfe für die kommenden Geschäftsjahre
- Bedarfskonsolidierung: Zusammenfassen von einzelnen Bedarfen in Bedarfsgruppen
- Bedarfsspezifikation: Bestimmung der Anforderungen des Bedarfs
- Bedarfsforschung: Machbarkeit der Bedarfsmeldungen prüfen
- Bedarfsprüfung: Wirtschaftliche Machbarkeit des Bedarfs prüfen
Zur Verfolgung des Ziels einer innovationsförderlichen Auftragsvergabe, können bereits beim Bedarfsmanagement ein paar Punkte beachtet werden. Die Beschaffung sollte möglichst früh eingebunden und über die Bedarfe informiert werden. Außerdem sollte die Leistung funktional beschrieben werden, um den Markt nicht bereits vor der Ausschreibung zu verengen. Ein weiterer Punkt ist die Identifizierung und Priorisierung von Beschaffungsbedarfen anhand von Innovationsfeldern. Diese bezeichnen Themen oder Warengruppen, in denen die innovativen Aktivitäten eines Unternehmens stattfinden sollen, d.h. wo ein hohes Innovationspotenzial vermutet wird.
Wenn wir uns nun den Bedarfsmanagementprozess und seine Teilschritte noch detaillierter anschauen wollen, müssen wir wieder die verschiedenen Typen des Bedarfsmanagements betrachten. Je nach Typ unterscheidet sich der Prozess ein wenig.
Typ I: Kurzfristiges Bedarfsmanagement i.w.S.
Spezifikation der anfallenden Bedarfe und Bilden von Gruppen ähnlicher zeitnah zu beschaffender Bedarfe
Typ II: Kurzfristiges Bedarfsmanagement i.e.S.
Bedarfsspezifikation eines zeitnah zu beschaffenden Bedarfs
Typ III: Langfristiges Bedarfsmanagement i.w.S.
Bedarfsplan ähnlicher Bedarfe für die kommenden Geschäftsjahre
Typ IV: Langfristiges Bedarfsmanagement i.e.S.
Bedarfsplan einzelner Bedarfe für die kommenden Geschäftsjahre
Ein hilfreiches Instrument, um standardisierte Prozesse zu definieren, festzuhalten und im Haus zu etablieren, sind sogenannte Prozess-Steckbriefe. Für jeden Teilschritt beinhalten diese die folgenden Informationen:
- Prozessziel
- Kernaufgaben bzw. Prozessschritte
- Prozessbeteiligte
- Input
- Ressourcen
- Hauptergebnisse
- Besonderheiten innovationsförderlicher Auftragsvergabe
- Ergebnisobjekte
- Instrumente
- Prozess-KPI
- Prozesseigner
Ein konkretes Beispiel soll die Verwendung deutlich machen. In der folgenden Abbildung sehen wir den Prozesssteckbrief zur Bedarfserfassung im Bedarfsmanagement Typ III:
Ein weiterer Vorteil bei der Nutzung solcher Steckbriefe ist, dass auch neue Mitarbeitende in der Beschaffungs- bzw. Vergabestelle auf einen Blick sehen, wie die Prozesse im Haus definiert sind. Mithilfe einer Beschaffungsrichtlinie können diese Steckbriefe aber auch an Bedarfsträger und weitere Prozessbeteiligte verteilt werden, um so die Einhaltung der Prozesse gewährleisten zu können.
Die Vorlage für den Prozesssteckbrief können Sie hier als Powerpoint-Datei .pptx herunterladen.
Ausblick
Nachdem der Prozessschritt des Bedarfsmanagements abgeschlossen ist, folgt im Beschaffungsprozess als nächstes die Markterkundung. Im Rahmen der KOINNO-Standardisierung widmen wir uns natürlich auch diesem Thema und schauen uns an, wie die Markterkundung standardisiert werden kann und gehen dabei u.a. folgenden Fragen auf den Grund: Welche Ziele werden mit der Markterkundung verfolgt? Welche Methoden eignen sich am besten, um einen Marktüberblick zu bekommen?
In den nächsten Monaten werden wir Sie weiter auf dem Laufenden halten und unsere Erkenntnisse mit Ihnen teilen.
Möchten auch Sie aktiv mitarbeiten und mit uns gemeinsam Standards erarbeiten?
Im Rahmen der KOINNO-Standardisierung untersuchen wir Standardisierungspotenziale im Beschaffungsprozess. So sollen Innovationspotenziale der öffentlichen Beschaffung als Unterstützung zur Stärkung der Innovationsorientierung öffentlicher Auftraggeber dargestellt werden.
Ziel ist es, gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Praxis, Standards im öffentlichen Beschaffungsprozess zu definieren, die als Orientierungshilfe für öffentliche Auftraggeber zur Umsetzung einer innovativen öffentlichen Beschaffung dienen sollen.
Haben Sie Lust, an unseren Arbeitsgruppen teilzunehmen? Dann freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme per Mail an matthias.berg(at)bme.de
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