Am 19. Februar 2019 öffnete das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin seine Tore für mehr als 130 Teilnehmer, die zum Tag der öffentlichen Auftraggeber in die Stadt gekommen waren. Bevor die diesjährigen Preisträger des Awards „Innovation schafft Vorsprung“ gekürt wurden, beschäftigte sich das Auditorium mit der Frage, wie allgemeine oder auch spezifische Bedarfe sinnvoll gebündelt werden können und wie die innovative öffentliche Beschaffung dabei helfen kann.

Ein zentrales Element ist die Entwicklung einer Strategie

Der Leiter der Unterabteilung Innovations- und Technologiepolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Herr Dr. Ole Janssen, eröffnete die Veranstaltung und brachte es direkt zu Beginn auf den Punkt: „Um innovationsorientierte Beschaffung erfolgreich durchzusetzen, brauchen Sie personelle Ressourcen, einen zeitlichen Vorlauf, fachliches Know-how und vor allem: eine Strategie“.

Auch wenn immer mehr öffentliche Institutionen eine ganzheitliche Strategie entwickeln – sei es eine Digitalisierungsstrategie für ihre Kommune oder eine Nachhaltigkeitsstrategie für die Stadtverwaltung – finden diese Aspekte nicht immer Eingang in die dortige Beschaffungsarbeit. Zum einen weil es keine Beschaffungsstrategie gibt (→ Mehr dazu im Beitrag Status quo der öffentlichen Beschaffung) oder weil die Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung für die Beschaffung an sich noch sehr fragmentiert sind.

Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), betonte den Aspekt des Know-hows, der insbesondere für die innovative öffentliche Beschaffung wesentlich ist. Denn die Fähigkeiten, Kenntnisse und somit die Qualifikation der Mitarbeiter in der öffentlichen Beschaffung sind entscheidend für das Meistern der heutigen und zukünftigen Herausforderungen (→ Bilden Sie sich weiter mit dem kostenfreien KOINNO-E-Learning).

„Es gibt zahlreiche unbekannte Bedarfe, Anzahl an Beschaffern und Lieferanten“

Herr Klaus Faßnacht vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz stellte anschaulich dar, wie dezentral und zerfasert die Strukturen in vielen Städten, Gemeinden und Kommunen in Rheinland-Pfalz waren. Die Lösung: die Etablierung einer landesweiten Einkaufsplattform, welche auf freiwilliger Basis genutzt werden kann und deren C-Artikel-Bestand immer wieder erweitert wird (→ KOINNO-Praxisbeispiel).

Es können aber auch spezifische Bedarfe wie bspw. (Winter-)Salz gebündelt werden. Dies zeigt das Beispiel in Baden-Württemberg, das von Herrn Hans-Jürgen Schiffner, Fachbereichsleiter Stadt Heidenheim und Vorsitzender Bundesarbeitskreis Baubetriebshöfe (im VKU) vorgestellt wurde. Die Herausforderungen auf dem Salzmarkt sind vielfältig. Zum einen stehen Baubetriebshofleiter jedes Jahr vor der Herausforderung, dass sie nicht wissen, ob sie genug Salz eingekauft haben, bevor der Winter kommt.

Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn der Winter sehr schneereich wird. Dann explodieren die Kosten und die Transportwege werden lang, da die Lieferanten im Ausland sitzen. Um dieser Unsicherheit zu begegnen und Liefersicherheiten für alle Beteiligten zu schaffen, sollte die Beschaffung gebündelt werden. Die größte Herausforderung dabei war eine geeignete Plattform und Leistungsverzeichnis zu finden, das leistungsfähig und transparent ist (→ KOINNO-Praxisbeispiel).

Der Award „Innovation schafft Vorsprung“ 2019 prämierte die Anwendung einer Innovationspartnerschaft und die Verwendung von Spannungsstabilisierungsanlagen

Einer der beiden aktuellen Preisträger des Awards „Innovation schafft Vorsprung“ (→ Erfahren Sie mehr über den Innovationspreis) hat einen Hagelsensor mit Hilfe des Vergabeinstruments der Innovationspartnerschaft beschafft. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) befand sich in der Situation, dass die marktüblichen Hagelsensoren nicht ihren Anforderungen entsprachen. Nach einer eingängigen Markterkundung und –recherche (→ Lernen Sie mehr über diese Methode in der KOINNO-Toolbox) entwickelten sie deshalb einen ersten Prototyp (→ mehr dazu in der KOINNO-Toolbox), um eine mögliche Lösung zu finden. Dies half dabei, mit den potentiellen Bietern in einen Dialog zu treten und die Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt zu verdeutlichen (→ Das Vorgehen des DWD im KOINNO-Praxisbeispiel).

Thomas Schuhmacher, Referent in der Beschaffung beim DWD, resümiert: „Eine Innovationspartnerschaft setzt ein hohes Maß an Vertrauen und Kommunikation zwischen der Beschaffungsstelle, dem Bedarfsträger und dem Unternehmen voraus. Der Impuls zur Durchführung der Innovationspartnerschaft und die Gesamtkoordination der Maßnahme müssen durch die Beschaffungsstelle erfolgen. Im Selbstverständnis muss sich die Beschaffungsstelle als kompetenter Berater und Dienstleister verstehen.”

„Der Charme dieses Projekts liegt in seiner Einfachheit”

Der nächste Preis in der Kategorie „innovatives Produkt“ ging an den Landkreis Schaumburg in Niedersachsen, der bei der Suche nach Stromeinsparpotentialen auf die technische Möglichkeit stießen, dies über Spannungsstabilisierungsanlagen zu schaffen. Hintergrund ist der, dass durch eine Vielzahl an Energieerzeugungsanlagen wie Solar- und Wasserkraftanlagen, die ungeplant Strom ins Netz einspeisen, die Netzspannung per se höher als notwendig ist.

Die Stromersparnis kommt dadurch, dass die Spannungsstabilisierungsanlage für eine leicht geringere Netzspannung sorgt. Das Ergebnis: acht Prozent des bisher benötigten Stroms kann eingespart werden. Da der Landkreis über mehr als 100 Liegenschaften verfügt, lohnt sich der Einsatz solcher Anlagen nicht nur aus ökonomischer Perspektive, sondern auch mit Sicht auf die Reduzierung von CO2-Emmissionen (→ Lesen Sie mehr dazu im KOINNO-Praxisbeispiel).

„Der Charme dieses Projektes liegt in seiner Einfachheit: Der Aufwand zur Beschaffung und Installation der Spannungsstabilisierungsanlagen ist überschaubar, hat aber einen großen eindeutig messbaren ökonomischen und ökologischen Effekt“, sagt Nils Althoff, Energiemanager des Landkreises Schaumburg. „Das Projekt lässt sich zudem beliebig auf andere Städte und Kommunen übertragen.”
 


Matthias Berg, Leiter Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO)Matthias Berg, Leiter des Kompetenzzentrum innovative Beschaffung (KOINNO) zieht Bilanz: „Sicherlich braucht es eine klare und verbindliche Beschaffungsstrategie in den Häusern, um den Auftrag zu mehr Innovationskraft umsetzen zu können. Aber auch kleine Pilotprojekte haben ihren Charme, denn zum einen sinkt die Angst vor Fehlern, zum anderen wird die frühzeitige Zusammenarbeit der Fachbereiche mit dem Einkauf erleichtert. Dies schafft Anreize, neue Wege zu gehen und somit auch für Innovationen“.


 

Die Präsentationen zu den Vorträgen beim Tag der öffentlichen Auftraggeber 2019 finden Sie hier zum Download.