Preisträger Innovation schafft Vorsprung 2020 Hessen Mobil und Stadt Ludwigsburg

Der 19. Tag der öffentlichen Auftraggeber ist am 13. Februar 2020 in Berlin zu Ende gegangen. Dabei wurde viel darüber diskutiert, wie die öffentliche Beschaffung in einer digitalen veränderten Welt aussehen könnte. In einem Aspekt waren sich alle einig: es gibt viele Herausforderungen. Die Metropolregion Rhein-Neckar und die Universität Leipzig sowie die aktuellen Preisträger des BME/BMWi-Awards „Innovation schafft Vorsprung“ zeigten, dass dennoch einiges möglich ist.

„Die Leistungen von KOINNO ebnen den steinigen Weg zur Beschaffung von Innovationen“

Mit diesen Worten eröffnete Dr. Ole Janssen, Leiter der Unterabteilung Innovations- und Technologiepolitik im BMWi, den Tag der öffentlichen Auftraggeber 2020. Er betonte vor allem die KOINNO-Zertifizierung als eine Möglichkeit der Reflexion und Werbeargument nach innen und außen. KOINNO sei deshalb ein wichtiger Bestandteil der im März 2019 ins Leben gerufenen Transferinitiative des BMWi, deren Ziel es ist, die Umsetzung von innovativen Ideen in marktfähige Produkte zu unterstützen, Hemmnisse zu identifizieren und zu beseitigen.

Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), sieht die steigenden Anforderungen, die an den Einkauf in Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor angelegt werden. Das finge bei der Ausrichtung hin zu einem strategischen Einkauf an und ende bei speziellen Themen wie Innovationen, Nachhaltigkeit oder auch Sozialverträglichkeit.

Die Marktmacht der öffentlichen Beschaffung, die auf Grund des immensen Beschaffungsvolumens der öffentlichen Hand von geschätzt 350 Mrd. Euro gegeben wäre, könnte dabei helfen, diese Herausforderungen zu meistern. Er betonte die Rolle von Lieferanten bzw. Bietern als strategische Partner und andere Elemente einer strategischen Beschaffung wie ein konsequentes Warengruppenmanagement. Dafür müsse die strukturelle und prozessuale Ausrichtung der Beschaffungsstellen jedoch konsolidiert werden, wobei KOINNO und insbesondere die KOINNO-Zertifizierung einen entscheidenden Beitrag leisten könne.

Die Geschäftsmodelle der Lieferanten bzw. Bieter verändern sich auf Grund der Digitalisierung und Verfügbarkeit von Daten

Prof. Dr. Michael Eßig, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Supply Management an der Universität der Bundeswehr München, begann seinen Vortrag mit drei Beispielen, die verdeutlichten, dass sich die Wirtschaft und die herkömmlichen Geschäftsmodelle der Unternehmen auf Grund der digitalen Transformation – insbesondere auf Grund der zur Verfügung stehenden Daten – verändern.

So würde bspw. ein Reifenhersteller nicht mehr nur Reifen und das damit verbundene Know-how verkaufen, sondern sich für die gefahrenen Kilometer entlohnen lassen (leistungsbasierte Entlohnung). Dabei stelle sich die Frage, wer in dieser veränderten Welt Hersteller und Lieferant sei. Damit müssten auch die öffentlichen Beschaffer umgehen, denn der Rückgang von eingehenden Angeboten durch Bieter in allen Bereichen ist weithin beobachtbar. Dies lasse sich auch an Hand einer Auswertung von Daten zwischen 2009 und 2017 der TED-Datenbank belegen.

Prof. Dr. Eßig stellte die These auf, dass Lieferanten bzw. Bieter von digitalen Leistungen anders als „herkömmliche Bieter“ behandelt werden müssten, d.h. andere Vergabeverfahren wie der Wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft eher geeignet seien. Die Daten aus der TED-Datenbank zeigten, dass in den letzten Jahren eine vermehrte Nutzung vor allem der Innovationspartnerschaft als Vergabeverfahren zu beobachten sei. Er schloss, dass dies eine entsprechende Anpassungsbewegung an die veränderten Marktbedingungen zeige.

Eine Online-Umfrage im Plenum ergab, dass von 104 Personen immerhin 20 Prozent Erfahrungen mit diesem Verfahren hätten. Aber auch der Einsatz von elektronischen Marktplätzen (E-Marktplätzen) sei denkbar, wobei dieses Konstrukt vom Vergaberecht noch nicht berücksichtigt würde. Die Betreiber von E-Marktplätzen fungieren als Plattformbetreiber und somit als Intermediär, aber nicht als Händler von Produkten und Leistungen. Sie sind somit keine Bieter im klassischen Sinne und demnach nicht Gegenstand einer Ausschreibung für eine bestimmte Leistung bzw. Produkt. Dennoch sieht Prof. Dr. Eßig in der Nutzung von E-Marktplätzen ein immenses Potential, das in Zukunft noch zu heben sei.

 

Impressionen vom Tag der öffentlichen Auftraggeber 2020

Praktische Beispiele aus der Metropolregion Rhein-Neckar und von der Universität Leipzig zeigen wie es gehen kann

Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, erzählte von der Reise der Metropolregion in Sachen Ausschreibungsplattform, die 2006 mit der Idee eines regionalen Bekanntmachungsportals begann. Es sollte Handwerker und kleine Unternehmen über öffentliche Ausschreibungen mit regionalem Bezug informieren – wie eine Art digitales „schwarzes Brett“.

Auf der anderen Seite sollten aber auch öffentliche Beschaffer ihre Ausschreibungen einfach und digital platzieren können, so dass eine E-Vergabe-Lösung gesucht wurde. Das Ergebnis: auftragsboerse.de, die 2010 online ging und mit dem BME/ BMWi-Award „Innovation schafft Vorsprung“ ausgezeichnet wurde. Seitdem wurde das Portal neu ausgeschrieben und weiterentwickelt. Bis 2019 nutzten 70 Vergabestellen und 11.000 Unternehmen das Portal, um seit 2014 ungefähr 15.000 Vergabeverfahren durchzuführen.

Auch die Universität Leipzig als zweitälteste deutsche Universität stellte sich der Frage nach einer Zentralisierung der Beschaffung und möglichen Online-Lösungen. Angelika Snicinski-Grimm, komm. Dezernentin im Dezernat 5 für Finanzen, berichtete, dass bis dato kein zentraler Wareneingang, keine zentrale Beschaffungsstruktur und somit kein vollständiger Überblick vorhanden war. Mit der Einführung des ELVI-Serviceportals sollte sich das ändern. Mit einer klaren Rechte- und Rollenverteilung können nur noch diejenigen bestellen, die über ein entsprechendes Budget verfügen. Der Wareneingang wurde zentralisiert und die Rechnungen vollständig digitalisiert. Dadurch konnte Transparenz und Vollständigkeit geschaffen werden.

BME/ BMWi-Award „Innovation schafft Vorsprung“: Hessen Mobil und die Stadt Ludwigsburg beeinflussen den Markt in Richtung Nachhaltigkeit

Dass der öffentliche Sektor sein Beschaffungsvolumen für die Beeinflussung der Märkte nutzen kann, ist nicht nur eine Theorie. Hessen Mobil und die Stadt Ludwigsburg zeigen mit ihren ausgezeichneten Beispielen, dass es auch praktisch möglich ist.

Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement zeigten in dem ganzheitlichen Beschaffungsansatz ihrer Warnschutzanzüge, dass mit Hilfe von Methoden wie Markterkundung und MEAT-Ansatz ein innovativer Warnschutzanzug entwickelt werden kann, der sowohl neue funktionale Aspekte berücksichtigt, wie auch nachhaltige Kriterien erfüllt. Dafür war es notwendig, sich mit potentiellen Anbietern auszutauschen und sie von der Notwendigkeit zu überzeugen, was nicht bei allen gelang.

Der heute existierende Warnschutzanzug ist das Ergebnis von sechs Jahren gemeinsamer Entwicklung. Hessen Mobil legte darüber hinaus auch einen gesteigerten Wert auf die Reduzierung von Verpackungsplastik und die Nutzung des Anzugs nach dessen Lebenszyklus (Upcycling). Auch darauf mussten sich die Lieferanten erst einstellen und das Potential für sich erkennen.

Einfach angefangen hat die Stadt Ludwigsburg ab März 2017, in dem sie die Beschaffung nach den sog. Cradle-to-Cradle (C2C)-Prinzipien ausrichtete. Es handelt sich dabei um einen ganzheitlichen Ansatz, in dem der Gedanke einer Kreislaufwirtschaft verankert ist. Das heißt, dass Produkte nach Ende ihres Lebenszyklus in den Stoffkreislauf zurückfließen. Bereits vor Projektbeginn gab es eine Dienstanweisung fair gehandelte Produkte zu bevorzugen, die daraufhin neu überarbeitet wurde. In einem interdisziplinären Projektteam wurden neue Beschaffungsregeln erarbeitet und eine Bestandsaufnahme der Auftragsgegenstände gemacht, für die eine Beschaffung nach C2C-Prinzipien in Frage kam. Die daraufhin erstellte Bietererklärung floss zu mindestens 20 Prozent in die Vergabeentscheidung ein.

Die praktischen Beispiele aus der Metropolregion Rhein-Neckar und der Universität Leipzig, wie auch der beiden Preisträger zeigen deutlich, dass unabhängig von der Politik die öffentlichen Auftraggeber ihre Herausforderungen angehen und sich auf den Weg machen. Die Ergebnisse sprechen für sich, auch wenn der Beginn schwierig ist und die Umsetzung einiges an Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt. Aber irgendwo muss ja angefangen werden.

 

Im Folgenden finden Sie die Präsentationen vom Tag der öffentlichen Auftraggeber 2020:

Eröffnung / Grußwort, Dr. Ole Janssen, Leiter der Unterabteilung Innovations- und Technologiepolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Digitalisierung, elektronische Marktplätze, Vergabe und Bieterverhalten: Wie kaufen öffentliche Beschaffungsstellen innovativ ein?, Prof. Dr. Michael Eßig, Leiter des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Supply Management an der Universität der Bundeswehr München

auftragsboerse.de – die Vergabeplattform der Metropolregion Rhein-Neckar, Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH

Zentralisierung des Beschaffungswesens mittels ELVI-Serviceportal, Angelika Snicinski-Grimm, kommiss. Dezernentin Bereich Finanzen, Universität Leipzig


Die Gewinner von „Innovation schafft Vorsprung”

Zentrale Beschaffung von innovativen und nachhaltigen Warnschutzanzügen unter Berücksichtigung der Prozessoptimierung, Herr Weigmann, Hessen Mobil

Zum Praxisbeispiel

Innovative, nachhaltige Beschaffung – Gesund, kreislauffähig, klimafreundlich (C2C) in der Stadt Ludwigsburg

Zum Praxisbeispiel

 

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