Die Welt der Startups und KMU ist dynamisch und innovativ, geprägt von schnellen Entscheidungen und bahnbrechenden Ideen. Doch trotz ihrer wichtigen Rolle in der Wirtschaft und ihrer Fähigkeit, rasch auf Marktveränderungen zu reagieren, gibt es erstaunlich wenig Daten darüber, wie Startups und KMU sich in der spezifischen Arena der innovativen öffentlichen Ausschreibungen verhalten. Wie navigieren junge Unternehmen durch dieses komplexe Feld? Wie beurteilen Startups und KMU überhaupt öffentliche Ausschreibungen?

Um ein Big Picture über Startups und KMU zu erhalten, veröffentlicht KOINNO 2024 erstmalig den Vergabereport – Startups & KMU. Eine Befragung von 158 Startups und KMU rund um das Thema innovative öffentliche Beschaffung.

Dieser Artikel bietet Ihnen einen ersten Einblick in dieses Stimmungsbild und lädt Sie herzlichst zu tiefergehenden Diskussionen, weiterführenden Forschungen und einer neuen Wahrnehmung im Verständnis über das Engagement von Startups und KMU bei öffentlichen Ausschreibungen ein. Denn Innovationen funktionieren nur im Miteinander.

Einordnung Vergabereport

Von Januar bis März 2024 wurden Startups und KMU mit innovativen Angeboten in sechs Kategorien befragt:

  1. Allgemeine Angaben
  2. Vergabeplattformen - Finden von öffentlichen Ausschreibungen
  3. Eignungskriterien
  4. Leistungsbeschreibung
  5. Angebotsabgabe
  6. Allgemeine Einschätzung

Dn sechs Kategorien wurden insgesamt 77 Fragen zugeordnet, welche die Herausforderungen und Hürden aufzeigen, mit denen die Unternehmen bei der öffentlichen Beschaffung konfrontiert sind. In diesem Artikel werden die ersten Ergebnisse rund um die Verwendung von Vergabeplattformen dargestellt.

Vergabeplattformen – Finden von öffentlichen Ausschreibungen

Angebot und Nachfrage finden immer öfter nicht zusammen und die Anzahl eingehender Angebote auf öffentliche Ausschreibungen ist auf einem niedrigen Stand, wie es auch die aktuellen Daten der Vergabestatistik wieder verdeutlichen. Aber warum ist das so? Haben Startups und KMU schlicht kein Interesse mehr an öffentlichen Aufträgen? Nein, die Antwort ist vielfältiger.
 


Exkurs: Vergabeplattformen
Eine Vergabeplattform ist eine online Plattform, die für die Ausschreibung und Vergabe von Aufträge verwendet wird.  Vergabeplattformen ermöglichen es, sämtliche Verfahrensschritte eines Vergabeverfahrens elektronisch abzuwickeln, so zum Beispiel die Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung, die Bereitstellung der Vergabeunterlagen, die Angebotsabgabe sowie die Zuschlagserteilung.

Auch die Kommunikation zwischen dem Auftraggeber und den Unternehmen erfolgt über die Vergabeplattform. Von der öffentlichen Hand werden viele verschiedene Vergabeplattformen genutzt; Bemühungen für eine einheitliche Vergabeplattform für alle öffentlichen Auftragsvergaben haben bislang nicht zum Erfolg geführt.



Strukturelles Hindernis - Fragmentierung

Die Umfrageergebnisse und Expertenmeinungen zeigen deutlich, dass die Fragmentierung der Vergabeplattformen ein Hindernis für Startups und KMU darstellt und den Wettbewerb um das Gut „Innovationen“ für öffentliche Beschaffer erschwert.

  1. Eine überwältigende Mehrheit (74,6 %) der befragten Startups und KMU gibt an, dass sie häufiger nach öffentlichen Ausschreibungen suchen würden, wenn eine zentrale Plattform existieren würde.
  2. Fast 40 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind überzeugt, dass sie durch mehr Zeitinvestition auch mehr passende Ausschreibungen finden würden. Jedoch empfinden 58,7 % den Suchaufwand im Vergleich zu anderen Vertriebswegen als zu hoch.
  3. Nur 9,52 % der Befragten bewerten den Suchaufwand für öffentliche Ausschreibungen als geringer im Vergleich zum Marketing- und Vertriebsaufwand bei anderen Kundinnen und Kunden.

Die folgenden Zitate unterstreichen, dass das Potenzial der Zusammenarbeit und der möglichen „Matches“ rund um innovative öffentliche Ausschreibungen vorhanden und zugleich bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist:

  • ID 8: „Bessere Filterfunktionen von Vergabeportalen; Optimierung und Vereinheitlichung zur Reduzierung der Vielfalt und des Suchaufwands.“
  • ID 58: „Eine digitale, transparente Lösung, beispielsweise eine gebündelte Plattform.“
  • ID 89: „Eine bundesweit nutzbare Plattform. Aktuell gibt es diverse regionale Marktplätze, was es schwierig macht, den Überblick zu behalten.“

Wie schöpfe ich aber jetzt als öffentlicher Auftraggeber dieses Potenzial aus? Zumal eine einzige Vergabeplattform oder vereinfachte Prozesse zwar sicherlich erstrebenswert wären, der erfahrene Beschaffende aber auch einschätzen kann, dass die Zeit noch nicht reif dafür ist.

Vergabeplattformen – Steigerung des Wettbewerbs durch effiziente Bekanntmachungsstrategien

Eine Handlungsalternative ist die Umsetzung einer Bekanntmachungsstrategie, die sich stärker an den Bedürfnissen bzw. an dem Blickwinkel der Unternehmen bei der Suche nach innovativen öffentlichen Ausschreibungen orientiert.

Der Vergabereport zeigt beispielsweise auf, welche Kriterien bei der Suche nach passenden Ausschreibungen am hilfreichsten bewertet werden.

Mit 2,54 von 5 Punkten erhielten CPV-Codes im Vergleich zu anderen Kriterien eine relativ geringe Relevanz. Denn die Unternehmen bemängeln die mangelnde Passgenauigkeit der Codes bei innovativen Leistungen.
 


Exkurs: CPV-Codes
CPV ist die Abkürzung für „Common Procurement Vocabulary“, also das „Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge“. Das CPV schlüsselt Gegenstände eines möglichen Auftrags auf und ordnet ihnen feste Nummern zu. Die CPV-Codes dienen damit der transparenten Beschreibung des Auftragsgegenstandes. CPV-Codes müssen bei EU-weiten Ausschreibungen verwendet werden. Ziel ist, dass die Interessenten aus den verschiedenen europäischen Mitgliedsstaaten anhand der CPV-Codes den Auftragsgegenstand möglichst eindeutig identifizieren können.



Die Stimmen der Umfrageteilnehmerinnen und Umfrageteilnehmer geben Einblicke in die spezifischen Probleme:

  • ID 40: „Produktgruppen, die nicht eindeutig in eine CPV-Klasse eingeordnet werden können, lassen sich sehr schwer finden.“
  • ID 59: „Innovative Leistungen passen größtenteils nicht in die aktuellen CPV-Codes und teilweise werden unsere Leistungen mit falschen Bezeichnungen ausgeschrieben.“

Eine solche Bekanntmachungsstrategie fördert die Auffindbarkeit und erhöht dadurch die Beteiligung von innovativen Startups und KMU an öffentlichen Beschaffungsprozessen.

Öffentliche Auftraggeber können beispielsweise die Zugänglichkeit und Transparenz ihrer Ausschreibungen auf den Vergabeplattformen verbessern, indem die Bekanntmachungen durch klare Informationen, kompakte Ausschreibungstexte und eine effiziente Verwendung der CPV-Codes strukturiert sind.

Erstes Fazit

Die gute Nachricht des Vergabereports lautet: Startups und KMU sind an mehr öffentlichen Aufträgen interessiert und öffentlichen Auftraggebern sind nicht die Hände gebunden. Die bewusste Umsetzung einer Bekanntmachungsstrategie ist eine Möglichkeit.

Darüber hinaus gibt es weitere Optionen bei der Erstellung der Eignungskriterien, Leistungsbeschreibungen, der Wahl der Verfahren und der Ausgestaltung der Verfahren. Sie möchten wissen, welche? Dann finden Sie im Vergabereport weitere Antworten.

Zum vollständigen Vergabereport