Vergabereport Teil 2: Bedeutung des öffentlichen Sektors als Kundensegment

Mit dem Vergabereport 2024 haben wir ein Stimmungsbild von Startups und KMU gegenüber der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Sektor eingefangen. Gerne lassen wir Sie an den Ergebnissen des Reports teilhaben. Teil 2 unserer Artikelserie widmet sich der Meinungen der Teilnehmenden im Hinblick auf Erfahrungen mit öffentlichen Ausschreibungen.


Sollten Sie Teil 1 mit dem Fokus auf Innovationskraft und Marktperspektiven noch nicht gelesen haben, finden Sie diesen hier.


Im Rahmen der durchgeführten Umfrage zur öffentlichen Beschaffung wurde daher die offene Frage gestellt, welche Aspekte der öffentlichen Beschaffung als besonders positiv wahrgenommen werden.

Die Antworten der Unternehmen, welche sich als erfahren einstuften, wiesen eine tendenziell negative Einschätzung auf, wobei genaue Angaben zu den Problemen häufig fehlten. Dennoch wurden einige positive Aspekte hervorgehoben.

 

Was finden Sie besonders gut an den Prozessen der öffentlichen Beschaffung?

Das sagen die erfahrenen Unternehmen:

  • Ein transparenter Ablauf der Prozesse
  • Bemühung um Fairness
  • Verständliche Struktur der Beschaffungsprozesse
  • Standardisierte Verfahren: Die wiederholte Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen ermöglicht es Unternehmen, die Struktur und die erforderlichen Schritte kennenzulernen und ihre Erfahrungen bei weiteren Ausschreibungen zu nutzen. 
  • Einhaltung von Sicherheitsstandards und -vorschriften: Stellen Integrität und Zuverlässigkeit der Prozesse sicher

 

Beispielhafte Zitate lauteten wie folgt:

Dass so transparent wird, welche Beschaffungsverfahren stattfinden, und man sich bei passender Eignung i.d.R. bewerben kann.”

Die Prozesse zielen darauf ab, allen eine Chance zu geben; Gleichbehandlung wird angestrebt. Gut ist auch, dass inzwischen nicht mehr nur auf den Preis geschaut werden soll, sondern auch Kriterien wie Nachhaltigkeit mitberücksichtigt werden können.”

Da können wir leider keine Punkte anführen. Wir würden gerne weniger öffentliche Ausschreibungen bedienen und unsere Kunden lieber individuell auf seine tatsächlichen Bedürfnisse hin beraten und entsprechende Angebote unterbreiten.”

Strukturiertes Verfahren mit klarer Zeitschiene und Entscheidung am Ende”.

 

Das sagen die unerfahrenen Unternehmen:

  • Fairness und Gerechtigkeit der Verfahren
  • Effektivität und Detailgenauigkeit der Prozesse


Beispielhafte Zitate lauteten wie folgt:

  • „Jeder kann an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen und jedem wird eine Chance geboten.“

 

Die wichtigen Leitlinien des Vergaberechts, wie der Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz, scheinen also auch bei weniger erfahrenen Bietern positiv wahrgenommen zu werden.

 

Was würden Sie gerne an den Prozessen der öffentlichen Beschaffung ändern?


Das wünschten sich die Befragten der erfahrenen Bieter:

  • Verschlankung und Abbau der Bürokratie, um die bestehenden Verfahren zu vereinfachen und die Vielzahl an Formularen und Nachweisen zu reduzieren.
  • Verbesserung der inhaltlichen Ausarbeitung der Ausschreibungsdokumente, um klarere und präzisere Leistungsbeschreibungen zu erhalten.
  • Stärkere Digitalisierung der Beschaffungsprozesse: Einführung einheitlicher, zentralisierter Plattformen für Ausschreibungen und die Abschaffung papierbasierter Verfahren
  • Beschleunigung der Verfahren mit kürzeren Fristen und effizienteren Abläufe
  • Einbindung und Unterstützung von kleinen und jungen Unternehmen: Diese Firmen sollten stärker in die Beschaffungsprozesse einbezogen und ihnen sollten Hilfestellungen angeboten werden, um ihnen die Teilnahme zu erleichtern.
  • Qualitätskriterien stärker gewichten und den Fokus weniger auf den Preis legen, um eine fairere Bewertung und eine bessere Qualität der beschafften Leistungen zu gewährleisten.
  • Bessere Auffindbarkeit von Ausschreibungen durch verbesserte Filterfunktionen und eine Vereinheitlichung der Vergabeportale
  • Mehr Transparenz in den Vergabeentscheidungen und eine einheitliche Behandlung aller Bieter gefordert, um Willkür bei Vergabeentscheidungen zu minimieren.

 

Hier einige beispielhafte Auszüge aus den Antworten:

Eine Plattform für alle Ausschreibungen, unabhängig vom Bundesland!!!”

1. Mehr Qualitätskriterien in die Zuschlagsgewichtung aufnehmen. Die meisten Vergabeverfahren haben nach wie vor 100% Preis zum Gegenstand, wodurch Bieter mit qualitativ hochwertigen Produkten benachteiligt sind. 2. Mehr Rahmenverträge ausschreiben, wodurch die Anzahl der Vergabeverfahren sinkt. Dadurch haben Bieter weniger Ausschreibungen zu bearbeiten und somit weniger Aufwand.”

Digitaler & Transparenter. Beispielsweise über eine Plattform gebündelt.”

Startups und KMU sollten Hilfestellung bekommen, damit sie teilnehmen können und erfolgreich sein können.”

 

Das wünschten sich die Befragten der Gruppe der sich als unerfahren verstehenden Unternehmen:

  • Weniger Regeln und Formalien: Beispielsweise bestimmte Bedingungen wie Referenzenanforderungen optional gestalten, da jungen oder kleinen Unternehmen sonst kaum eine Chance geboten wird.
  • Mehr Übersichtlichkei
  • Bessere 1-zu-1-Korrespondenz

 

Bedeutung des öffentlichen Sektors als Kundensegment


Die folgende grafische Darstellung (Abbildung 7) präsentiert die Einschätzung der Unternehmen hinsichtlich der Bedeutung des öffentlichen Sektors als Kundensegment.

Inwiefern stimmen Sie folgender Aussage zu: Der öffentliche Sektor ist (potenziell) ein wichtiges Kundensegment für unser Unternehmen

Abbildung 7: Inwiefern stimmen Sie folgender Aussage zu: Der öffentliche Sektor ist (potenziell) ein wichtiges Kundensegment für unser Unternehmen

Unter den Unternehmen, die sich als erfahren einschätzen, zeigt sich eine überwiegend positive Einstellung gegenüber dem öffentlichen Sektor als wichtigem Kundensegment. Etwa 49 % der Unternehmen stimmen der Aussage zu, dass der öffentliche Sektor ein bedeutendes Kundensegment darstellt, während weitere 19 % dieser Einschätzung eher zustimmen. Damit betrachtet die Mehrheit der befragten erfahrenen Unternehmen den öffentlichen Sektor als bedeutend für ihr Geschäft. Etwa 19 % der erfahrenen Unternehmen haben eine gemischte Meinung und bewerten die Aussage mit „teils/teils“. Ein kleinerer Anteil von knapp 5 % stimmt eher nicht zu und 3 % lehnen die Aussage vollständig ab.

Bei den Unternehmen, die sich selbst als unerfahren einstufen, fallen die Einschätzungen anders aus. Lediglich 28 Prozent dieser Unternehmen stimmen der Aussage zu, dass der öffentliche Sektor ein wichtiges Kundensegment darstellt, während 17 Prozent dieser Aussage eher zustimmen.

Es ist nicht verwunderlich, dass Unternehmen, die sich als nicht erfolgreich bzw. erfahren hinsichtlich der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen einschätzen, den öffentlichen Sektor seltener als wichtiges Kundensegment betrachten. Dennoch lässt sich aus den Ergebnissen ableiten, dass nahezu die Hälfte der als unerfahren eingestuften Unternehmen Interesse am öffentlichen Sektor als Kunden hat. Ein Anteil von 17 % der unerfahrenen Unternehmen bewertet die Aussage mit „teils/teils“. Es ist bemerkenswert, dass 33 % der unerfahrenen Unternehmen der Aussage eher nicht zustimmen und 6 % sie vollständig ablehnen.

 

Unerfahrene Unternehmen sehen öffentlichen Sektor als weniger wichtiges Kundensegment an

Die untersuchten Unterschiede weisen darauf hin, dass Unternehmen mit mehr Erfahrung in öffentlichen Ausschreibungen die Chancen und Potenziale des öffentlichen Sektors besser einschätzen können und somit eher geneigt sind, diesen als wichtiges Kundensegment zu betrachten. Darüber hinaus haben sie womöglich schon öffentliche Ausschreibungen gewonnen und Aufträge ausgeführt.

Somit ist der öffentliche Sektor bereits ein etabliertes Kundensegment und wird dementsprechend als wichtig betrachtet. Unerfahrene Unternehmen sind hingegen aufgrund mangelnder Erfahrung oder negativer Erwartungen zurückhaltender, den öffentlichen Sektor als bedeutenden Markt zu sehen.

Sie haben ihr Unternehmen bislang ohne dieses Kundesegment geführt, ihr Geschäftsmodell ist möglicherweise noch nicht auf den öffentlichen Sektor ausgelegt, wodurch sie den öffentlichen Sektor womöglich nur als zusätzliche Möglichkeit sehen.

 

Zukünftige Nachfrage nach Produkten und Leistungen

Unter den Unternehmen, die sich als erfahren einschätzen, gehen 29 % davon aus, dass die öffentliche Nachfrage nach ihren Produkten und Leistungen in den nächsten fünf Jahren stark steigen wird (s. Abbildung 8). Weitere 38 % erwarten eine moderate Steigerung der Nachfrage.

Dies deutet darauf hin, dass eine Mehrheit der erfahrenen Unternehmen optimistisch in die Zukunft blickt und ein Wachstum des öffentlichen Beschaffungsmarktes für ihr Produkt erwartet. Rund 19 % der erfahrenen Unternehmen gehen davon aus, dass die Nachfrage gleichbleiben sein wird. Nur ein kleinerer Anteil von 10 % erwartet, dass die Nachfrage abnimmt. Keines der erfahrenen Unternehmen geht davon aus, dass die Nachfrage stark abnehmen wird.

Wie entwickelt sich aus Ihrer Sicht in den nächsten 5 Jahren die öffentliche Nachfrage nach Produkten und Leistungen, die Ihr Unternehmen anbietet

 

Abbildung 8: Wie entwickelt sich aus Ihrer Sicht in den nächsten 5 Jahren die öffentliche Nachfrage nach Produkten und Leistungen, die Ihr Unternehmen anbietet

Bei den Unternehmen, die sich als unerfahren einschätzen, zeigt sich ein leicht anderes Bild. Etwa 28 % dieser Unternehmen erwarten, dass die Nachfrage stark steigen wird, und 56 % gehen von einer moderaten Steigerung aus. Dies zeigt, dass auch unerfahrene Unternehmen größtenteils optimistisch sind, was die zukünftige Nachfrage betrifft. Ein kleinerer Anteil von 11 % der unerfahrenen Unternehmen geht davon aus, dass die Nachfrage stabil bleibt. Keines der unerfahrenen Unternehmen erwartet, dass die Nachfrage abnimmt, jedoch glauben 6 %, dass die Nachfrage stark abnehmen wird.

 

Nachfrage durch den öffentlichen Sektor: Überwiegend positive Einschätzung

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass sowohl erfahrene als auch unerfahrene Unternehmen überwiegend eine steigende oder gleichbleibende Nachfrage nach ihren Produkten und Leistungen in der öffentlichen Beschaffung erwarten.

Erfahrene Unternehmen zeigen jedoch eine etwas differenziertere Einschätzung, indem sie auch die Möglichkeit einer abnehmenden Nachfrage in Betracht ziehen. Unerfahrene Unternehmen sind insgesamt optimistischer, wobei ein erheblicher Teil von einer starken oder moderaten Steigerung der Nachfrage ausgeht.

Diese optimistischen Erwartungen könnten darauf hindeuten, dass Unternehmen, unabhängig von ihrer bisherigen Erfahrung mit öffentlichen Ausschreibungen, die öffentlichen Beschaffungsmärkte als wachsend und vielversprechend betrachten.

Mit einem jährlichen Beschaffungsvolumen in dreistelliger Milliardenhöhe ist der öffentliche Sektor ein attraktiver und stetig wachsender Markt. Aufgrund seiner dezentralen Struktur mit insgesamt über 30.000 Vergabestellen auf Kommunal-, Landes-, Bundesebene und EU-Ebene besteht die Herausforderung für Unternehmen jedoch darin, zu ermitteln, an welcher Stelle die Nachfrage für ihr Produkt wahrscheinlich und ihre Erfolgschancen am größten sind.

 

Ausblick

In Teil 3 unserer Beitragsserie zu den Ergebnissen aus dem Vergabereport 2024 widmen wir uns der Selbsteinschätzung der Unternehmen bezüglich ihres Wissens zu den Prozessen im öffentlichen Einkauf.

 

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