KOINNO diskutierte am 6. November 2018 beim 7. Kölner VergabeTreff, der vom Bundesanzeiger Verlag in Köln veranstaltet wurde, über die Wahl des Vergabeverfahrens und die Auswirkungen auf den Beschaffungsprozess.

Je komplexer das Verfahren, desto weniger Gestaltungsspielraum

Neben der neuen Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in Nordrhein-Westfahlen wurde auf dem Kölner VergabeTreff die Wahl des Vergabeverfahrens im Beschaffungsprozess thematisiert. Die Verfahrenswahl ist eine strategische Entscheidung und beeinflusst den weiteren Beschaffungsprozess maßgeblich. Nach wie vor fällt die Wahl überwiegend auf das offene und nicht-offene Verfahren, denn alle anderen Verfahren sind komplexer, müssen höheren rechtlichen Ansprüchen genügen und schränken den Gestaltungsspielraum ein. Sie lassen allerdings auch keine innovativen Lösungen zu.

Fehler in der Verfahrenswahl werden kaum vor den Vergabekammern verhandelt

Umfragen der Universität der Bundeswehr München von 2016 bzw. 2018 zeigten, dass öffentliche Beschaffer vor allem Fehler vor, während und nach dem Vergabeverfahren vermeiden wollen, also Rechtskonformität anstreben[1]. Eng damit ist die Angst vor einem Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern verbunden, die jedoch statistisch nicht bestätigt werden kann. Laut offiziellen Zahlen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurden im Jahr 2016 880 Verfahrensanträge gestellt, wovon 232 zu Gunsten und 140 zu Ungunsten des öffentlichen Auftraggebers entschieden wurden. 309 Verfahren wurden gar nicht verhandelt[2]. Zum Vergleich: eine Auswertung der TED-Datenbank ergab, dass im Oberschwellenbereich deutsche Vergabestellen allein im Jahr 2016 über 30.000 Auftragsbekanntmachungen platziert haben[3]. Die Zahl der im Unterschwellenbereich veröffentlichten Ausschreibungen dürfte deutlich höher sein. Im Ergebnis fallen also die gestellten Verfahrensanträge kaum ins Gewicht, so dass die Angst davor unbegründet ist.

Auftragsbekanntmachungen Deutschland und Europa

Die Beschaffung von innovativen Lösungen bedarf komplexer Vergabeverfahren

Wenn das Ziel nicht die Rechtskonformität ist, sondern eine am Kosten-Nutzen-Verhältnis orientierte Lösung zu beschaffen, dann ist die Verwendung von komplexeren Vergabeverfahren notwendig. Hier stellt sich die Frage, welche Verfahren es gibt und wann diese angewendet werden. Die Universität der Bundeswehr München hat dazu eine Entscheidungshilfe entwickelt: die Wahl des Vergabeverfahrens hängt demnach von fünf Faktoren ab. Entscheidendes Kriterium ist die Verfügbarkeit am Markt und/oder ob die Leistungsmerkmale des Bedarfs hinreichend beschrieben werden können.

Entscheidungshilfe zur Wahl des Beschaffungsverfahrens

Wenn dies nicht der Fall sein sollte und es auch auf absehbare Zeit keine beschaffbare Lösung für den Bedarf gibt, sind komplexe Instrumente wie der Wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft gefragt.

Wie diese Instrumente anzuwenden sind und was dabei zu beachten ist, können Sie in der KOINNO-Toolbox erfahren.


[1] Universität der Bundeswehr München (2018): Erfassung des aktuellen Standes der „innovativen öffentlichen Beschaffung“ in Deutschland 2018.

[2] BMWi (2017): Statistische Meldungen über Vergabenachprüfungsverfahren gem. § 129a GWB, S. 6.

[3] Universität der Bundeswehr München (2017): Anwendung von Werkzeugen der innovativen öffentlichen Beschaffung in der Praxis: Eine Analyse der TED-Datenbank, S. 32.