Höhere Wertgrenzen für erleichterte und weniger formale Vergabeverfahren haben Konjunktur. Mehrere Bundesländer haben die Wertgrenzen erhöht, um den Aufwand von Auftragsvergaben zu reduzieren und so effizientere Beschaffungen zu ermöglichen. Im Referentenentwurf für das Gesetz zur Transformation des Vergaberechts (VergRTransfG) sieht auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) entsprechende Regelungen, etwa für Direktaufträge, vor. Ein aktueller Überblick.

Die Erhöhung von Wertgrenzen etwa für Direktaufträge und Freihändige Vergaben liegt im Trend. Aus Sicht der Auftraggeber ist sie ein probates Mittel für unaufwändigere und effizientere Beschaffungsprozesse. Unumstritten ist die Erhöhung der Wertgrenzen jedoch nicht. Die Transparenz der Auftragsvergabe und womöglich auch der Wettbewerb leiden, wenn vermehrt Direktvergaben durchgeführt werden.

Die Privatwirtschaft befürchtet, dass bei erleichterten Auftragsvergaben ohne vorherige Bekanntmachung und wettbewerbliches Verfahren vor allem Unternehmen profitieren, die den Vergabestellen bereits bekannt sind und sich bewährt haben. Auch Start-ups und innovativen Unternehmen werde der Marktzutritt zu öffentlichen Aufträgen erschwert, da durch die Anhebung der Wertgrenzen und die damit verbundene vermehrte Vergabe von Direktaufträgen viele Verfahren über öffentliche Aufträge nicht mehr für alle Unternehmen zugänglich sind.

Der Referentenentwurf für das VergRTransfG reagiert darauf, in dem er unter anderem vereinfachte Auftragsvergaben an Startups vorsieht (siehe dazu den Beitrag ab S. 4). Der Bund folgt damit dem Beispiel Baden-Württembergs, das in einem Pilot-Projekt ebenfalls die erleichterte Auftragsvergabe an Start-ups erprobt.

Liefer- und Dienstleistungen können demnach ohne ein Vergabeverfahren an Startups vergeben werden, wenn der Auftragswert unterhalb des jeweiligen Schwellenwerts für EU-weite Vergaben liegt.


Vergabetransformation im Bund

Nach dem Referentenentwurf des BMWK für das VergRTransfG, der Mitte Oktober veröffentlicht wurde, sollen kleinere Aufträge künftig einfacher als sogenannte Direktaufträge ohne aufwändiges Vergabeverfahren vergeben werden können. Das sieht die novellierte Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vor, die ebenfalls Gegenstand der groß angelegten Transformation des Vergaberechts ist. Nach dem Bruch der Regierungskoalition ist es allerdings mehr als fraglich, ob oder in welchem Umfang es zu der angestrebten Transformation des Vergaberechts überhaupt kommen wird.

Der Entwurf schlug u.a. vor, dass Leistungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 15.000,- € ohne Umsatzsteuer im Wege eines Direktauftrags ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden können. Der Auftraggeber soll dabei zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln und regelmäßig auch junge sowie kleine und mittlere Unternehmen berücksichtigen.

Bislang liegt die Grenze für derartige Direktaufträge bei 1.000,- €, was viele Vergabepraktiker als deutlich zu niedrig bewerten.

In einer Fußnote wies das BMWK zugleich darauf hin, dass die Wertgrenze im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung festzulegen sein werde, „auch in Abgleich mit den (bisher sehr unterschiedlichen) Beträgen in den Ländern.“ Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Reformentwurfs bestanden unterschiedliche Auffassungen zur Höhe der allgemeinen Wertgrenze für Direktaufträge zwischen den verschiedenen Ressorts innerhalb der Bundesregierung.

Aus Sicht des Bundesfinanzministeriums sollte die Wertgrenze auf 100.000 Euro,- (netto) nach dem Vorbild der Regelungen in Baden-Württemberg angehoben werden. Bei Redaktionsschluss war nicht abzusehen, ob es überhaupt zu der avisierten substanziellen Erhöhung der Wertgrenze für Direktaufträge auf Bundesebene kommen wird.

Der Entwurf zur neuen UVgO sah zudem vor, dass der Auftraggeber Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben kann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer den Wert von 50.000,- € nicht erreicht.

Schließlich sollte nach dem Reformentwurf den Auftraggebern in Zukunft die Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb nach ihrer Wahl zur Verfügung stehen – und nicht nur, wie bisher, die öffentliche Ausschreibung und die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb

Baden-Württemberg

Baden-Württemberg hat seine „Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung)“ novelliert. Die novellierte VwV Beschaffung vom 23.7.2024 ist seit dem 1.10.2024 in Kraft, mit ihr wurde die VwV Beschaffung deutlich entschlackt und von 58 auf 12 Seiten gekürzt.

Inhaltlich geht mit der Novellierung der Verwaltungsvorschrift – dem allgemeinen Trend in den Bundesländern folgend – eine erhebliche Anhebung der Wertgrenzen für erleichterte Vergabeverfahren auf Landesebene einher. So ist die Wertgrenze für Direktaufträge von 5.000,- € auf 100.000,- € netto erhöht worden. Die Beschaffung freiberuflicher Leistungen darf ebenfalls per Direktauftrag bis zu einem Auftragswert in Höhe von bis zu 100.000,- € netto durchgeführt werden.

Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb (bislang zulässig bis 100.000,- €) und Verhandlungsvergaben mit oder ohne Teilnahmewettbewerb (bislang zulässig bis 50.000,- €) dürfen sogar bis zu einem Auftragswert unterhalb des jeweiligen EU-Schwellenwertes durchgeführt werden.

Die Anhebung der Wertgrenzen ist bis zum Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift befristet. Die Auswirkungen der neuen Wertgrenzen sollen zum Ende des Jahres 2026 evaluiert werden. Auch auf kommunaler Ebene hat Baden-Württemberg die Wertgrenzen für erleichterte Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte erhöht.

Das sieht das im Zuge der Entlastungsallianz für Baden-Württemberg beschlossene „Entlastungspaket I“ vor und wird in einem Rundschreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 21.5.2024 an die Regierungspräsidien und Gemeindeprüfungsanstalt
umgesetzt.

Bis zum 31.12.2026 gilt demnach, dass bei kommunalen Bauleistungen Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu einer Wertgrenze von bis zu 1.000.000,- € netto und Freihändige Vergaben bis zu einer Wertgrenze von bis zu 100.000,- € netto sowie Direktaufträge bis zu einer Wertgrenze von bis zu 10.000,- € netto zulässig sind.

Im Bereich kommunaler Liefer- und Dienstleistungen sind Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu einer Wertgrenze von bis zu 221.000,- € netto zulässig, Verhandlungsvergaben bis zu einer Wertgrenze von bis zu 100.000,- € und Direktaufträge bis zu einer Wertgrenze von bis zu 10.000,- € netto zulässig.

Bayern

Das Bayerische Kabinett hat in seiner Sitzung am 25.6.2024 ein erstes Modernisierungsgesetz beschlossen, das Schwerpunkte im Bau- und Vergaberecht enthält. Die Eckpunkte zum Vergaberecht sehen Änderungen auf Landesebene vor, die vor allem beim Bauen für erhebliche Beschleunigung sorgen sollen. Mittlerweile liegt ein Entwurf der Staatsregierung für ein „Zweites Modernisierungsgesetz Bayern“ vor.

Dafür sollen in Bayern künftig erheblich höhere Wertgrenzen gelten, die insbesondere im Baubereich eine Verzehnfachung der bisherigen Werte erreichen. So soll in einer ersten Stufe ein Direktauftrag bis 250.000,- € netto für Bauleistungen bzw. bis 100.000,- € netto für alle sonstigen Leistungen (bisherige Grenze bei Direktaufträgen: 25.000,- €) ohne Begründung zulässig sein.

Eine zweite Stufe sieht erleichterte Vergaben bis 1 Mio. Euro netto für Bauleistungen bzw. bis zum jeweiligen EU-Schwellenwert, d. h. zumeist 221.000,- € netto, für alle sonstigen Leistungen, vor.

Vorgesehen ist, dass die neuen Regelungen neben dem Freistaat auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Staats unterstehen, sowie Kommunen gelten sollen. Die Umsetzung bedarf einer gesetzlichen Regelung, die bereits in Arbeit ist und zum 1.1.2025 in Kraft treten soll.

Niedersachsen

Die Staatskanzlei Niedersachsen hat auf Ende September angekündigt, im Rahmen von Beschleunigungs- und Vereinfachungsmaßnahmen die Wertgrenzen für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich anzuheben. Erforderlich hierfür ist eine Änderung der Niedersächsischen Wertgrenzenverordnung (NWertVO).

Liefer- und Dienstleistungen sollen in Zukunft bis zu einem Auftragswert von 10.000,- € netto (statt bislang 1.000,- €) direkt, also ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens, beauftragt werden können, bei Bauleistungen ist das bis zu einem Auftragswert von 15.000,- € netto möglich. Im Dienstleistungsbereich sollen Verhandlungsvergaben bis 50.000,- € netto und beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis 100.000,- € netto zulässig sein. Dies entspricht einer Verdopplung der Wertgrenzen.

Im Baubereich sollen Freihändige Vergaben bis 200.000,- € netto Gesamtauftragswert ermöglicht werden (bislang 25.000,- € Einzelauftragswert). Für beschränkte Ausschreibungen soll die Grenze von bis zu 150.000,- € netto Gewerke abhängig auf generell 2 Mio. € netto angehoben werden.

Nordrhein-Westfalen

Das Ministerium für Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen hat bereits zum 1.12.2023 bekanntgeben, dass in Nordrhein-Westfalen die Wertgrenzen aus dem Runderlass vom 31.12.2021 in die Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift zu § 55 der Landeshaushaltsordnung (LHO) übernommen werden.

Demnach gelten in NRW folgende Wertgrenzen: Beschränkte Ausschreibungen für Bauleistungen nach VOB/A sind für jedes Gewerk bei geschätztem Einzelauftragswert bis 750.000,- € netto oder einem vorab geschätzten Gesamtauftragswert bis 1.250.000,- € netto auch ohne Teilnahmewettbewerb möglich. Freihändige Vergabe nach VOB/A sind bis zu einem geschätzten Einzelauftragswert von 75.000 Euro netto oder einem geschätzten Gesamtauftragswert von 125.000 Euro netto erlaubt.

Vergaben für Liefer- und Dienstleistungen sind im Wege einer Beschränkten Ausschreibung bis zu einem Auftragswert von 100.000,- € netto ohne Teilnahmewettbewerb möglich; Verhandlungsvergaben nach UVgO sind bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000,- € netto zulässig.

Vergabeverfahren von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 15.000,- € netto können im Wege des Direktauftrags vergeben werden. Freiberufliche Leistungen bis zu einem Auftragswert in Höhe von 25.000,- € netto einschließlich Nebenkosten können ebenfalls im Wege eines Direktauftrags, also ohne förmliches Vergabeverfahren vergeben werden.

Saarland

Im Saarland gelten die erhöhten Wertgrenzen für vereinfachte Verfahren in der kommunalen Auftragsvergabe im fünften Jahr in Folge.

Auch im Saarland wurden 2020 die Wertgrenzen aufgrund der Corona-Pandemie angehoben. Die Regelung wurde mehrmals verlängert und sollte zuletzt am 31. Dezember 2024 enden. Der Minister für Inneres, Bauen und Sport hat Mitte Oktober eine erneute Verlängerung um ein Jahr bekanntgegeben. Die Regelungen gelten für die Gemeinden, Gemeindeverbände und kommunalen Zweckverbände
sowie für die kommunalen Eigenbetriebe.

Demnach sind für die Vergabe von Bauleistungen freihändige Vergaben bis zu einer Wertgrenze von 150.000,- € und beschränkte Ausschreibungen bis 1.000.000,- €, jeweils netto, zulässig. Die Wertgrenze von Direktaufträgen für Bauleistungen wurde zudem von 3.000 auf 20.000 Euro erhöht.

Liefer- und Dienstleistungen können im Wege der Verhandlungsvergabe bzw. freihändigen Vergabe und per beschränkter Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bis zu einer Wertgrenze von 150.000,- € netto vergeben werden. Direktvergaben sind bis 10.000,- € netto zulässig. Freiberufliche Leistungen dürfen im Wege eines Direktauftrag ohne weitere Einzelbegründung bis zu einer Wertgrenze von 25.000,- € vergeben werden.

Schleswig-Holstein

In Land Schleswig-Holstein liegt die Wertgrenze für Direktaufträge bei Liefer- und Dienstleistungen bis zu einem Auftragswert von 5.000,- € netto. Freiberufliche Leistungen können bis zu einem Auftragswert von 25.000,- € netto im Wege eines Direktauftrages ergeben werden. Diese Regelung gilt auch für Einzelauftragswerte. Die Wertgrenze für Beschränkte Ausschreibungen ohne  Teilnahmewettbewerb und Verhandlungsvergaben beträgt 150.000,- € netto.

Für die Vergabe von Bauleistungen gilt eine Wertgrenze für Direktaufträge von bis zu 10.000,- € netto. Eine Beschränkte Ausschreibung ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb ist ohne weitere Voraussetzungen bis zu einem Auftragswert von 1.000.000,- € netto zulässig. Diese Wertgrenze gilt auch für Einzelauftragswerte (Fachlose). Die Wertgrenze für Freihändige Vergaben liegt bei 150.000,- € netto. Diese Wertgrenze gilt auch für Einzelauftragswerte (Fachlose).

 

Die ist ein Beitrag aus dem KOINNOmagazin 02/24 von Rechtsanwalt Oliver Hattig von Hattig und Dr. Leupolt Rechtsanwälte, Köln. Das vollständige Magazin können Sie hier kostenfrei herunterladen.