PAPIRUS PPI

Public Administration Procurement Innovation to Reach Ultimate Sustainability

Vier europäische Kommunen beschafften im Austausch mit Unternehmen innovative technische Lösungen für nachhaltiges Bauen

PAPIRUS hatte zum Ziel, einen neuartigen Beschaffungsprozess zu implementieren, der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz beim Bauen und Sanieren in den Mittelpunkt stellt. Durch den Einsatz von innovativen Gebäudehüllen und Verglasungen sollten eine natürliche Belichtung gewährt sowie Energieverluste im Winter und Aufheizen im Sommer so weit möglich vermieden werden.

Das Beschaffer-Konsortium hat Lösungen für zwei Sanierungsgebäude und zwei Neubauten eingekauft, die zu Projektbeginn nicht bekannt oder noch nicht marktgängig waren. Dazu wurde erstmalig im Bauwesen das Instrument Öffentliche Beschaffung von Innovationen (PPI) genutzt, das die Innovationsnachfrage durch die Öffentliche Hand als Erstanwender oder frühzeitige Nutzer in der Markteinführungsphase bezweckt.
 

Ausgangslage
Besonders im Bauwesen beschaffen öffentliche Auftraggeber häufig Dienstleistungen, Produkte oder Technologien, die bekannt und bewährt sind. Häufig ist auch der Angebotspreis das ausschlaggebende, wenn nicht sogar das einzige Kriterium für die Auftragserteilungen. Daher haben Bieter, die alternative Lösungen oder zusätzliche Funktionen anbieten, in den Vergabeverfahren aufgrund oftmals höherer Anschaffungskosten kaum Chancen auf Erteilung des Auftrags.
 

Zielsetzung
Statt der Ausschreibung „bekannter und bewährter“ Lösungen sollten Unternehmen im Rahmen eines intensiven Marktdialogs bereits im Vorfeld der Ausschreibungen in den Beschaffungsprozess einbezogen werden. Gezielt wurden nicht nur ausführende Unternehmen adressiert, sondern insbesondere Zielgruppen, die oftmals nicht direkt mit öffentlichen Bauherrn interagieren: kleine und mittlere Unternehmen, Hersteller und Lieferanten, Interessengruppen und Planer. Um die nachhaltigsten und effizientesten Technologien mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis beschaffen zu können, sollte der Anschaffungspreis zudem nur eine untergeordnete Rolle bei den Vergabekriterien einnehmen. Bewertet wurden zusätzlich die Energieeffizienz, die Nachhaltigkeit und die Folgekosten der angebotenen Lösung.
 

Ergebnisse
Nach umfangreichen Bedarfsermittlungen und Marktbefragungen hat das Beschaffer-Konsortium im März 2015 die Erarbeitung innovativer Lösungen europaweit ausgeschrieben. Nach Zuschlagserteilung im Juli 2015 begannen die Baumaßnahmen im Sommer 2016. Im Herbst 2016 fanden eine technische Evaluation und eine Evaluation des Beschaffungsprozesses statt.

Als wichtigster Faktor für eine erfolgreiche Durchführung einer innovativen Beschaffung (PPI) wurde der intensive Dialog mit dem Markt identifiziert. Hierdurch konnten neue Zielgruppen erschlossen und sensibilisiert werden, die zumeist nicht mit öffentlichen Auftraggebers in Kontakt treten und die häufig auch nicht von öffentlichen Bauausschreibungen angesprochen werden. Der innovative Beschaffungsprozess ermöglichte, mit kalkulierbarem Risiko neuartige Ideen und Lösungen für Sanierungs- und Neubaumaßnahmen zu entdecken und einzusetzen. Dabei hat sich bestätigt, dass innovative Beschaffungen konventionellen Lösungen unter Berücksichtigung sämtlicher Neben- und Folgekosten wirtschaftlich durchaus überlegen sein können und die isolierte Betrachtung des (Kauf-) Preises vielfach zu kurz greift.

ProjektlaufzeitOktober 2013 bis Oktober 2016
Budget2,88 Mio. EUR
Partner6 Partner, darunter 4 Kommunen als Auftraggeber der Bauleistungen (Enzkreis/Deutschland, Turin/Italien, Oslo/Norwegen, Sestao Berri/Spanien)
KoordinatorFundacion Tecnalia Research & Innovation (Spanien)    
Kontakt   

Kerstin Kopp
Landratsamt Enzkreis
Kerstin.Kopp@enzkreis.de

Die Lösung für das deutsche Pilotobjekt
Der Enzkreis in Baden-Württemberg beschaffte im Rahmen des PPI bauliche Lösungen für die Sanierung des 1959 errichteten und 1972 und 1978 erweiterten Sheddachs eines Ausbildungsgebäudes am Kreisberufsschulzentrum Mühlacker. Die EU-Förderung, die grenzüberschreitende, koordinierte Ausschreibung und der Qualitätswettbewerb führten dazu, dass das Gebäude im Ergebnis ein neues leichtes, energieeffizientes und nachhaltiges Dach erhielt – sogar zu geringeren Kosten als für eine herkömmliche Lösung veranschlagt. Die Konstruktion erreicht nahezu Passivhaus-Standard, ist wartungs- und reinigungsarm bei hoher Lebensdauer und geringen Lebenszykluskosten, und konnte im laufenden Betrieb installiert werden. Durch das sehr geringe Gewicht der verwendeten Materialien musste das Gebäude außerdem statisch nicht ertüchtigt werden.

In einer Präsentation zum Projekt werden die Besonderheiten des Beschaffungsverfahrens und die gewonnenen Erkenntnisse sowie das deutsche Pilotobjekt ausführlicher vorgestellt.